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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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»Ich bin sicher, dass es ihm gut geht. Er ist ein intelligenter Mann.«

    Das war nicht gerade intelligent, dich einfach so überrumpeln zu lassen, dachte Michael gerade. Wütend ging er in dem kleinen Zimmer auf und ab; es befand sich im größten der Gebäude, ein Farmhaus, das irgendwann in der alten Zeit liebevoll renoviert und in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden war, wie er vermutete. Der lackierte Dielenboden glänzte, die Wände waren makellos weiß getüncht. An einer Wand standen hohe Regale mit allen möglichen Büchern; interessiert studierte er die Rücken, bis ihm wieder einfiel, dass diese Bibliothek sein Gefängnis war. Es gab ein schmales Fenster mit Spitzengardinen, durch das die Strahlen der niedrig stehenden Sonne fielen; er überlegte, ob er es einschlagen sollte, bis er hinaussah und den jungen Mann entdeckte, der dort Wache schob. Er trug Schuhe, was ihm einen deutlichen Vorteil verschaffte. Ganz zu schweigen von seiner Jugend und der Kenntnis der Umgebung.
    Zumindest hatte er niemanden mit Fußfesseln gesehen, und sie hatten ihn erstaunlich gut behandelt, daher war er mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass diese Leute ihm nichts zuleide tun wollten. Am besten würde es wohl sein, er ruhte sich aus, solange er die Möglichkeit dazu hatte. Da er in seinem erregten Zustand kaum würde schlafen können, trat er wieder vor das Regal und ging mit schief gelegtem Kopf die Titel der Bücher durch, bis er eines entdeckte, das ihm nützlich erschien: Die Käserei. Ein Handbuch zur Käseherstellung.
    Er hatte sich zur Hälfte durch die Erörterung der verschiedenen Formen von Lab gequält - nicht, dass er sich hätte konzentrieren können -, als die Tür geöffnet wurde. Einer der Männer vom Empfangskomitee kam mit Michaels Waffe in der Hand herein, gefolgt von Linda, die ein Tablett mit Essen trug. Michael konnte Dampf aufsteigen sehen, und rasch war der Raum von einem appetitanregenden Geruch erfüllt; unwillkürlich
lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Auf dem Teller lagen Mais, in kleine Stücke geschnittenes Huhn und etwas, das einmal grün gewesen war - Spinat vielleicht. Auf einer Seite des Tellers lag ein Plastiklöffel, der schon lange seinen Glanz verloren hatte.
    Linda stellte das Tablett ab und zog sich zurück.
    »Wir dachten, Sie sind vielleicht hungrig«, sagte der Mann. Er kaute auf den Worten herum wie ein Südstaatler. »Nur zu, essen Sie etwas.«
    Michael erhob sich, ohne dem Tablett Beachtung zu schenken. »Wer sind Sie?«, fragte er. »Und was soll ich hier?«
    Der Mann lächelte und deutete auf das Essen. »Meine Frau reagiert sehr empfindlich, wenn sie sich die Arbeit völlig umsonst gemacht hat. Essen Sie also lieber auf.« Er ging zur Tür. Bevor er sie hinter sich schloss, sagte er: »Ebendiese Fragen werden wir Ihnen übrigens auch bald stellen.«

    Tom hängte die Laterne an den Haken über der Tür und kratzte den Schlamm von seinen Stiefeln. Als er die Schuhbänder öffnete, hörte er die leisen Stimmen von Janie und Caroline. Er stellte die Stiefel auf die Matte und ging auf Socken in den Gemeinschaftsraum. Die beiden Frauen unterbrachen ihr Gespräch und wandten sich zu ihm um, als sie ihn hörten, und er bemerkte sofort, dass Caroline geweint hatte.
    Wenn er und Michael und die anderen Männer abends hereinkamen, nachdem sie die Tiere versorgt hatten, fanden sie die Frauen meistens mit einer Tasse Tee vor - Gott sei Dank hatten sie das Treibhaus -, während sie still die Aufgaben, die die neue Welt ihnen stellte, verrichteten. Da war immer ein Loch, das gestopft, ein Handschuh, der ersetzt, ein neuer Topflappen, der gehäkelt, oder eine Fußmatte, die gewebt werden musste. Tom wunderte sich oft darüber, dass seine hochgebildete Frau bei all dem, was sie in ihrem Leben erreicht hatte, Befriedigung in diesen schlichten Aufgaben zu finden schien - zumindest an den meisten Tagen. Sie, die Hunderte von Menschen
am offenen Gehirn operiert hatte, nutzte jetzt ihre außerordentlich sensiblen Fingerspitzen dazu, zu stricken und zu weben und zu nähen und damit für jene lebensnotwendigen Dinge zu sorgen, die sie alle einmal für selbstverständlich genommen hatten. Sie klagte niemals über das, was andere als steilen Abstieg begriffen hätten. Die Männer spielten dabei oft Karten oder Scrabble; wenn einer müde oder nicht ganz auf dem Posten war, sprang ein anderer ein.
    Tom sah sich in dem Zimmer um, konnte aber seine Tochter nicht entdecken.

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