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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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zurück. Janie sah in den Becher und nickte zufrieden. Dann wandte sie schnell ihren Blick ab und holte tief Luft. Lany trat instinktiv einen Schritt zurück und ließ die anderen beiden Frauen ihre Arbeit tun. Sie sah zu, wie sie mit dem Löffel eine lange Reihe weißer, sich windender Maden auf die Wunde am Bein aufbrachten, und bedeckte ihren Mund, um ihre Übelkeit zu unterdrücken, während Caroline das Bein hob und Janie die Stoffstreifen darumwickelte, damit die Maden blieben, wo sie waren.
    »Was ist mit der wundgelegenen Stelle?«, fragte Caroline leise.
    Janie drehte das Kind auf die Seite und sah sie sich an. Flüsternd sagte sie: »Ich weiß nicht. Vielleicht, wenn sie auf der Seite liegt …«
    Da trat Lany vor. »Können Sie die Maden nicht auch auf die Wunde am Rücken tun?«
    Janie nahm das Stethoskop ab und legte es aufs Bett. Sie nahm Lany zur Seite.
    »Ist das Ihr Kind?«, fragte sie.
    »Nein. Einer der Männer draußen ist der Vater. Die Mutter ist tot.«
    Janie musste nicht nach der Todesursache fragen. »Würden Sie ihn bitte holen?«
    »Gleich«, sagte Lany. Ihre Stimme klang beunruhigt. »Aber vorher möchte ich wissen, was Sie für sie tun können. Er wird mich das sicher fragen.«
    Janie holte tief Luft, dann atmete sie langsam wieder aus. »Ich kann ihr Erleichterung verschaffen.«
    »Mehr nicht?«
    Janie schwieg einen Moment, ihre Gedanken wanderten zu einem Abschnitt in Alejandros Journal.
    Es blieb mir nichts anderes zu tun, als mit schwerem Herzen zuzusehen, wie das Kind langsam dahinsiechte. Jeden Tag verzehrte ihr Körper ein weiteres Stück seines eigenen Fleisches. Und gleich welche Kräuter und welchen Trank ich ihr
auch einfößte, nichts schien ihr zu helfen. Die Frustration in den Aufzeichnungen des Arztes war unüberhörbar, aber Janie erinnerte sich, dass Alejandro diesen Eintrag in seinem Journal mit einer hoffnungsvollen Wendung beendet hatte: Aber der Leib der Mutter war gesegnet, und sie empfing schon bald ein neues Kind, und die ganze Familie freute sich, dass eine weitere Tochter sie über den Tod der ersten hinwegtrösten würde.
    »Sie braucht Insulin«, sagte Janie. In ihren Worten schwang die ganze Enttäuschung Alejandros, aber nichts von seiner Hoffnung mit. »Wir haben nur keines.«

    Sie legten das Mädchen in einen der freien Schlafräume und stellten ein Feldbett für den Vater dazu. Die Freude, die die Entdeckung eines freundlich gesinnten Clans in ihrer Nähe eigentlich hervorrief, wurde von dem Anlass, der sie zusammengebracht hatte, getrübt. Janie antwortete auf die Fragen des Vaters kurz und mitfühlend. Lassen Sie sie nicht aus den Augen und achten Sie darauf, dass sie sauber und gut zugedeckt ist. Wir haben etwas, das ihr Linderung verschaffen kann, aber ich glaube nicht, dass sie im Moment leidet. Möglicherweise dauert es noch Tage, aber der Tod kann im Grunde jeden Augenblick eintreten; sie ist sehr krank.
    Der Vater setzte sich ans Bett seiner Tochter, um, wie Janie wusste, traurige Wache zu halten. Sie legte kurz die Hand auf seine Schulter und versuchte sich zu erinnern, wie es die paarmal gewesen war, als sie Menschen, die sie erst wenige Stunden kannte, möglichst schonend schlechte Nachrichten beibringen musste. Man versuchte eine gewisse Verbindlichkeit herzustellen, dann ging man weg und ließ eine Familie allein zurück, die ängstlich auf den Tod wartete.
    Sie wandte sich zum Gehen und sah Alex und Sarah, die in der Tür standen und wie gebannt den Mann an dem Bett anstarrten, der in sich zusammengesunken seine Tochter beweinte. Als ihre Augen zu Janie wanderten, schüttelte sie kurz den
Kopf und bedeutete ihnen mit der Hand, dass sie weggehen sollten.
    Alex wartete, bis seine Mutter das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann fragte er: »Wird sie wieder gesund werden?«
    »Ich weiß es nicht. Wir müssen abwarten.«
    »Kannst du ihr nicht helfen?«
    »Sie bräuchte ein bestimmtes Medikament, das wir nicht haben.«
    Die Kinder tauschten besorgte Blicke aus, und Janie führte sie an den Schultern in den Gemeinschaftsraum. Dort wurden sie mit einem ungewohnten Anblick konfrontiert: Der lange Tisch in der Mitte des Raums war zum ersten Mal voll besetzt. Caroline hatte rasch eine kleine Mahlzeit zubereitet - die vor allem aus Brot und Marmelade bestand -, und man machte sich näher bekannt. Janie schob die verschüchterten Kinder mit einem aufmunternden Schulterklopfen in das Zimmer und beobachtete, wie sie sich

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