Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
eines«, sagte Janie zu den anderen, als sie sich auf den Weg zurück machen wollten. »Die eine Frau, diese Lany
Dunbar - sie kommt mir bekannt vor. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich sie kenne, aber ich weiß nicht, woher.«
Sie könnte eine Patientin gewesen sein oder die Verwandte eines Patienten. Vielleicht kannte sie sie aber auch von ihren diversen Studien her. Ihre Freunde machten verschiedene Vorschläge, konnten ihr aber auch nicht weiterhelfen.
»Frag sie doch«, sagte Michael. »Sie ist recht nett.«
»Noch nicht«, sagte Janie. »Vielleicht fällt es mir ja noch ein. Oder sie weiß es und spricht mich zuerst darauf an.«
Bald darauf hatten sie sich alle wieder am Tisch versammelt. Michael, dem die Gäste bereits ein gewisses Vertrauen entgegenbrachten, unterbreitete ihnen das Angebot und erklärte die Bedingungen. »Wir können letztlich kein Tier erübrigen, aber es ist auch nicht genügend Zeit, um eines von Ihren zu holen. Es bestünde allerdings die Möglichkeit, dass wir eines von unseren nehmen, wenn Sie uns versprechen, es zu ersetzen.«
Die Gäste baten nicht darum, sich zurückziehen zu dürfen, um die Frage zu besprechen. Die Diskussion fand vor ihren Gastgebern statt, die dem Schlagabtausch genau zuhörten, weil sie wussten, dass sie dadurch ihre potenziellen Verbündeten einzuschätzen lernten.
Ihre erste Frage richtete sich an Kristina: War ein Erfolg bei einem der Tiere wahrscheinlicher als bei dem anderen?
»Nach dem, was ich gelesen habe, ist es egal«, sagte sie.
»Sauen bringen einen ganzen Wurf Ferkel zur Welt, Kühe dagegen nur ein Kalb«, sagte einer. Ein anderer fragte: »Was habt ihr, Sauen oder Eber?«
»Wir haben eine Sau und einen Eber«, sagte Tom. »Die Sau ist trächtig, daher würde es den Eber treffen, wenn wir ein Schwein nehmen.«
»Wir haben einen frischen Wurf mit drei männlichen Ferkeln. Wir können Ihnen eins von denen geben.«
Und so wurde der zweite Vertrag geschlossen.
Jetzt musste er nur noch erfüllt werden.
11
Guillaume schlief rasch ein, nachdem Alejandro ihn in der Dachkammer des Hauses von de Chauliac zu Bett gebracht hatte, anders als in den vorangegangenen Nächten der Reise, als er sich auf dem ungewohnten Strohlager oft ruhelos hin und her geworfen hatte. Alejandro betrachtete ihn im Schein der Kerze und freute sich über den friedlichen Schlummer des Knaben. Doch gleichzeitig gingen dem Medicus allerlei Gedanken durch den Kopf, die die kommenden Tage betrafen und jede Hoffnung auf Ruhe zunichtemachten. Es gab so vieles, was er de Chauliac fragen wollte, und diese Fragen würden ihm den Schlaf rauben.
Er erhob sich von seinem Bett und trat erneut ans Fenster. Die Straße lag still und dunkel unter ihm; es erschienen ihm keine Bilder vergangener Tage, sosehr er sich auch danach sehnte. Leise schlich er aus der Kammer und ging mit der Kerze in der Hand nach unten, obwohl er nicht wusste, ob de Chauliac noch wach war oder sich bereits zur Ruhe begeben hatte. Es war schon spät, das Gesinde hatte sich zurückgezogen, die Stille im Haus war fast unheimlich. Er ging von der Halle in den Speisesaal, anschließend in das große Wohngemach, traf jedoch nirgendwo jemanden an.
Die Bibliothek, dachte er. Falls de Chauliac noch wach war, dann würde er dort zu finden sein, zwischen seinen geliebten Büchern. Stattdessen stieß er dort jedoch auf Philomène. Und zum ersten Mal, seit sie einander begegnet waren, trug sie die Kleider einer Frau - verschwunden waren Tunika und Beinlinge, die hohen Stiefel. Das Haar fiel ihr in glänzenden kastanienbraunen Wellen über den Rücken. Als er das Gemach betrat, trafen sich ihre Blicke, und sie begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln.
Ermutigt durch diesen Empfang, fragte er: »Darf ich mich setzen, Mademoiselle?«
Sie lächelte erneut und nickte, und er ließ sich neben ihr nieder. Vor ihr auf dem Tisch lag ein Buch, und auf der aufgeschlagenen Seite war eine Zeichnung von den Fortpflanzungsorganen der Frau zu sehen.
»Welche bewundernswerte Genauigkeit!«, sagte Alejandro und strich mit den Fingern über die detailgetreue Darstellung. »Wer hat diese Zeichnung angefertigt?«
»Vater Guy, versteht sich«, erwiderte sie. »Dies hier ist doch seine Bibliothek, nicht wahr?«
»Aber er besitzt so viele Bücher, und wie ich weiß, entstanden einige davon durch die Hand anderer oder durch die von Kopisten …«
»Hier«, sagte sie und ließ ihrerseits die Finger über die Zeichnung gleiten,
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