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Aleph

Aleph

Titel: Aleph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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Männer in dem Saal tun so, als würden sie sich nicht dafür interessieren, aber ich weiß, was in ihren Köpfen vor sich geht. Lüsternheit, Wollust, Gier, Perversionen.
    »Die Bluse.«
    Sie zieht die Bluse aus, die zweifellos noch gestern weiß gewesen, aber heute schmutzig und zerknittert ist. Ihre Gesten sind langsam und wirken einstudiert, und ich weiß, was sie denkt: >Er wird mich retten. Er wird dem hier gleich ein Ende bereiten.< Ich sage nichts, frage Gott nur stumm, ob dies alles rechtens ist. Ich bete ein Vaterunser nach dem anderen, bitte um Erleuchtung für meinen Superior und das Mädchen. Er wird auch wissen, dass der Grund für die Denunziation nicht nur Eifersucht oder Rache war, sondern die unglaubliche Schönheit des Mädchens. Sie ist das Abbild Luzifers, des schönsten und verdorbensten Engels Gottes.
    Alle hier kennen ihren Vater, wissen, wie mächtig er ist und wie sehr er demjenigen schaden kann, der seine Tochter berührt. Sie schaut mich an, ich wende die Augen nicht ab. Die anderen verbergen sich in den Schatten des riesigen unterirdischen Gewölbes, aus Angst, sie könnte mit dem Leben davonkommen und sie bloßstellen. Feiglinge! Sie wurden hier versammelt, um einer höheren Sache zu dienen, dabei zu helfen, die Welt zu läutern. Warum verstecken sie sich vor einem wehrlosen Mädchen?
    »Zieh den Rest aus.«
    Sie sieht mich weiter unverwandt an. Sie hebt die Hände, löst die Bänder des blauen Unterkleides, das als Einziges noch ihren Körper bedeckt, und lässt es zu Boden fallen.
    Sie fleht mich mit Blicken an, etwas zu tun, um das alles zu verhindern, ich antworte mit einem kaum merklichen Nicken, alles würde gut werden, sie brauche sich keine Sorgen machen.
    »Suche das Satansmal«, befiehlt mir der Inquisitor.
    Ich trete mit einer Kerze an sie heran. Die Warzen ihrer kleinen Brüste sind hart, und sie hat Gänsehaut. Die hohen Fenster mit den dicken Scheiben lassen nicht viel Helligkeit herein, doch ihr makelloser weißer Körper schimmert im Licht der Kerze.
    Ich muss nicht lange suchen: Auf ihrer Scham - die zu küssen ich mir in Augenblicken höchster Versuchung vorgestellt habe - sehe ich links oben das Satansmal. Ich erschrecke - vielleicht hat der Inquisitor ja doch recht, denn dies ist der unwiderlegbare Beweis, dass sie mit dem Dämon verkehrt hat. Ich fühle eine Mischung aus Ekel, Traurigkeit und Wut.
    Ich muss ganz sicher sein. Ich knie neben ihrem nackten Körper nieder und betrachte das dunkle, halbmondförmige Mal.
    »Das habe ich von Geburt an.«
    Genau wie ihre Eltern denkt auch sie, dass sie ein Gespräch beginnen, sie alle von ihrer Unschuld überzeugen könne. Ich bete unablässig, seit ich den Raum betreten habe, bitte Gott verzweifelt darum, mir Kraft zu geben. Es wird ein wenig schmerzhaft, aber in nicht einmal einer halben Stunde vorbei sein. Auch wenn dieses Mal ein unverrückbarer Beweis für ihre Verbrechen ist, hatte ich sie geliebt, bevor ich meinen Körper und meine Seele in den Dienst Gottes gestellt habe, weil ich wusste, dass ihre Eltern niemals zulassen würden, dass eine Adlige einen Bauern heiratet.
    Und diese Liebe ist noch immer zu stark, als dass ich dieses Gefühl beherrschen könnte. Ich möchte das Mädchen nicht leiden sehen.
    »Ich habe niemals den Dämon angerufen. Du kennst mich, und du kennst meine Freundinnen. Sage ihm«, und sie zeigt auf meinen Superior, »dass ich unschuldig bin.«
    Der Inquisitor spricht überraschend milde zu ihr, ein Zeichen göttlicher Barmherzigkeit.
    »Auch ich kenne deine Familie. Aber die Kirche weiß, dass der Teufel seine Werkzeuge nicht nach ihrem Gesellschaftsstand sucht, sondern der Fähigkeit entsprechend, mit Worten oder mit falscher Schönheit zu verführen. Das Böse kommt aus dem Mund des Menschen, hat Jesus gesagt. Wenn das Böse dort drinnen ist, wird es durch Schreie exorziert und in das Geständnis verwandelt, das notwendig ist. Bist du frei von Bösem, wirst du den Schmerzen widerstehen.«
    »Ich friere, wäre es nicht -«
    »Es ist dir nicht erlaubt, zu sprechen, solange ich nicht das Wort an dich richte«, entgegnet er ihr sanft, aber bestimmt. »Nicke, oder schüttele den Kopf. Deine vier Freundinnen haben dir schon erzählt, was passiert, nicht wahr?«
    Sie nickt.
    »Meine Herren, nehmt Eure Plätze ein!«
    Nun müssen die Feiglinge ihr Gesicht zeigen. Richter, Gelehrte und Adlige setzen sich an den großen Tisch, an dem der Inquisitor bislang allein gewesen war. Nur ich, die Wachen und

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