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Aleph

Aleph

Titel: Aleph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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Suche nach der Wahrheit, die nicht immer so eindeutig ist, wie sie sein sollte.«
    »Aber -«
    »Aber da ging es um die anderen. Um jene, die Eurer Meinung nach die Folter und den Scheiterhaufen verdient hatten. Irgendwann«, und er zeigte dabei auf den Vater, »habt Ihr sogar selbst eine Familie denunziert. Ihr habt gesagt, dass die Mutter schwarze Magie betrieb, damit Euer Vieh starb. Wir haben die Wahrheit dieser Anklage beweisen können, sie wurden verurteilt und…«
    Er wartet eine Weile, bis er den Satz zu Ende bringt, als würde er die Worte auskosten.
    »…ich habe Euch geholfen, für einen lächerlichen Preis das Land dieser Familie zu kaufen. Eure Frömmigkeit wurde reich belohnt.
    Er wendet sich an mich.
    »Bring mir das Malleus Maleficarum.«
    Ich gehe zum Bücherregal hinter seinem Tisch. Er ist ein guter Mann, überzeugt davon, das Richtige zu tun. Er lässt sich nicht von persönlichen Rachegefühlen leiten, er handelt im Namen seines Glaubens. Obwohl er sich nie zu seinen Gefühlen äußert, habe ich ihn häufig ins Leere blicken sehen, als würde er Gott fragen, warum Er ihm eine solche Bürde auf die Schultern geladen hat.
    Ich reiche ihm das dicke Buch mit dem Ledereinband, auf dessen Vorderseite der Titel eingeprägt ist.
    »Alles steht hier. Malleus Maleficarum. Der Hexenhammer. Eine detaillierte Abhandlung über die universelle Verschwörung, das Heidentum wieder einzuführen, über den Glauben in die Natur als unsere Errettung und den Irrglauben, der behauptet, es gebe vergangene Leben, über die von der Kirche verdammte Astrologie und die noch viel verdammenswertere Wissenschaft, welche die Mysterien des Glaubens bezweifelt. Der Teufel weiß, dass er Hilfe braucht, Hexen und Wissenschaftler, um die Welt zu verführen und zu verderben.
    Während die Männer in den Kriegen zur Verteidigung des Glaubens und des Reiches sterben, dünken sich die Frauen zum Herrschen geboren, und Feiglinge, die sich für Weise halten, forschen mit Gerätschaften und stellen wissenschaftliche Theorien auf, um zu erfahren, was ihnen auch die Bibel sagen könnte. Uns obliegt es, sie daran zu hindern. Nicht ich habe diese Mädchen hierhergebracht. Ich bin nur damit beauftragt, herauszufinden, ob sie unschuldig sind oder ob ich sie retten muss.«
    Der Superior erhebt sich und bittet mich, ihn zu begleiten.
    »Ich muss gehen. Wenn Eure Tochter unschuldig ist, wird sie noch vor Anbruch des morgigen Tages zu Hause sein.«
    Die Frau wirft sich vor ihm zu Boden und umklammert seine Knie.
    »Bitte! Ihr habt sie als Kind in den Armen gehalten!«
    Der Mann spielt seine letzte Karte aus.
    »Ich werde all meine Ländereien und mein ganzes Vermögen hier und jetzt der Kirche schenken. Reicht mir eine Feder und Papier, und ich gebe es Euch schriftlich. Ich möchte dieses Haus zusammen mit meiner Tochter verlassen.«
    Der Inquisitor schiebt die Frau zur Seite, sie bleibt hilflos weinend liegen, das Gesicht in den Händen verborgen.
    »Der Dominikanerorden wurde eigens ausgewählt, damit so etwas nicht geschieht. Die Inquisitoren von einst konnten leicht durch Geld korrumpiert werden. Aber wir Dominikaner haben immer vom Betteln gelebt und werden das auch weiterhin tun. Geld verführt uns nicht, ganz im Gegenteil, Euer empörendes Angebot macht die Lage Eurer Tochter nur noch schlimmer.«
    Der Mann packt mich bei den Schultern.
    »Du warst wie ein Sohn für uns! Nachdem deine Eltern gestorben sind, haben wir dich in unserem Haus aufgenommen, damit dich dein Onkel nicht länger misshandelt.«
    »Macht euch keine Sorgen«, flüstere ich ihm leise ins Ohr, voller Angst, dass der Inquisitor mich hören könnte. »Macht euch keine Sorgen«.
    Auch wenn mich der Mann nur aufgenommen hatte, damit ich wie ein Sklave auf seinen Ländereien arbeitete. Auch wenn er mich ebenfalls geschlagen und beschimpft hat, wann immer ich etwas falsch gemacht hatte.
    Ich befreie mich aus seinem Griff und gehe zur Tür. Der Inquisitor wendet sich ein letztes Mal an das Ehepaar:
    »Eines Tages werdet Ihr mir noch dafür danken, dass ich Eure Tochter vor der ewigen Verdammnis gerettet habe.«

»Zieht sie aus!«
    Der Inquisitor sitzt an einem riesigen Tisch, der von einer Reihe leerer Stühle umgeben ist.
    Zwei Wachen treten heran, aber das Mädchen hebt die Hand.
    »Ich brauche sie nicht. Ich kann es allein. Nur tut mir bitte nicht weh!«
    Sie zieht langsam ihren golddurchwirkten Samtrock aus, der so elegant ist wie die Kleidung ihrer Mutter. Die zwanzig

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