Alera 02 - Zeit der Rache
Tunnels keinen Moment länger ertragen könne, holte ich mit jedem Schritt schneller Luft.
»London, wann werden wir –«, begann ich, aber er brachte mich sogleich zum Schweigen und deutete nach oben.
»Sie sind über uns«, flüsterte er. »Wir sind fast am Ende angelangt.«
Ich lauschte angestrengt und konnte tatsächlich fernes, gedämpftes Stampfen hören. Wahrscheinlich waren das Hufschläge über unseren Köpfen.
Endlich fiel das Licht von Londons Fackel auf eine Wand aus Erde, und da wusste ich, dass es an der Zeit war, nach oben zu klettern. Möglicherweise unserem Tod entgegen. Ich sah mich unter den Männern um, die mich begleiteten, und begriff, dass jeder einzelne von ihnen bereit wäre, sein Leben zum Schutz von Miranna und mir zu opfern. Wenn dies unser Ende sein sollte, dann würde ich wenigstens inmitten der besten und tapfersten Männer Hytanicas sterben. Diese Gewissheit stärkte meinen eigenen Mut und meine Entschlossenheit.
21. FÄHIGE MÄNNER
Als der Tunnel gebaut worden war, hatte man eine hölzerne Leiter als Ausstiegshilfe zurückgelassen. Im Laufe der Jahre waren die Sprossen jedoch vermodert und machten inzwischen keinen allzu stabilen Eindruck mehr. London veränderte den Anstellwinkel und prüfte die erste Sprosse, die nachgab, noch bevor er sein ganzes Gewicht daraufgestellt hatte.
»Das kann ja interessant werden«, murmelte er und drehte sich mit einem schiefen Grinsen zu uns um. »Jemand muss sie festhalten.«
Da trat Davan vor und tat, wie London ihm geheißen, während der ehemalige Kundschafter behände nach oben kletterte und dabei so wenig Gewicht wie möglich auf die einzelnen Sprossen kommen ließ, indem er sich rasch bewegte und die Füße möglichst nahe an den Holmen aufsetzte. Glücklicherweise war die letzte Sprosse, auf der er balancieren musste, während er versuchte, die Abdeckung aufzudrücken, stabiler als die erste. Doch leider ließ sich der Tunnel nicht öffnen. Egal, wie sehr London drückte und rüttelte, nichts rührte sich.
»Erde, Gras, vielleicht sogar Baumwurzeln müssen darüber sein«, murmelte London, nachdem er wieder heruntergesprungen war. Er sprach kurz mit dem Hauptmann und erklomm die Leiter erneut, während Davan und Steldor Galen hochhoben, sodass sich beide gegen den Holzdeckel stemmen konnten, aber auch das war vergebens.
»Wir müssen den Ausgang freisprengen«, sagte London mit ernster, leiser Stimme. »Es gibt kein Zurück mehr.«
»Selbst wenn Narian seine Truppen von hier abgezogen hat, wird der Lärm den Feind anlocken, also machen wir am besten schnell«, stimmte Cannan ihm zu. Dann wandte er sich mit leiser Stimme an Miranna und mich. »Begebt Euch ein Stück weit in den Tunnel zurück, bis wir eine Öffnung haben. Aber bleibt vor den anderen, damit wir Euch rasch hinaufheben können.«
Also wichen Steldor, Galen und Davan zurück und schirmten uns nach hinten ab. Gleichzeitig holte London ein Säckchen aus seiner Tasche und kletterte rasch erneut die Leiter hinauf. Mit zwei Fingern nahm er vorsichtig etwas von dem Pulver und verteilte es sorgsam auf dem Rand der Abdeckung. Anschließend sprang er wieder herunter, duckte sich und berührte gleichzeitig mit der Fackel die Tunneldecke. Ich hielt mir die Ohren zu, aber der Lärm in dem schmalen Tunnel war dennoch ohrenbetäubend. Holz und Erde prasselten auf den Gardisten herunter, löschten seine Fackel und begruben ihn fast unter Geröll. Als der Staub sich gelegt hatte, streckte er sich und starrte in die Dunkelheit, bis er das Licht des Mondes entdeckte. Er warf einen Blick zu Cannan, der die zweite Fackel auslöschte, dann kletterte er noch einmal die Leiter hinauf, um sich durch die Öffnung nach draußen zu schieben.
»Beeilung«, drängte er und sah zu uns herunter. »Hebt Miranna herauf.«
Cannan legte seine Hände um die Taille meiner Schwester und hob sie mit solcher Leichtigkeit, als wäre sie eine Puppe. London griff rasch nach ihren Armen und zog sie ganz heraus.
»Jetzt Alera«, befahl mein ehemaliger Leibwächter.
Steldor nahm meine Hand und trat vor, doch als er mich um die Taille gefasst und so hochgehoben hatte, dass London mich erreichen konnte, schien er nicht loslassen zu wollen.
»Wir sehen uns bald wieder«, fühlte ich das Bedürfnis, ihm zu versichern, bevor London mich ganz aus dem Tunnel zog.
Davan folgte als Letzter, und dann sprach London noch einmal mit Cannan.
»Ich höre Reiter, die sich nähern, also geht jetzt besser.«
Dann führten
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