Alera 02 - Zeit der Rache
er und Davan uns in den Schutz des Waldes, von wo aus unser gefährlicher Marsch in die Sicherheit seinen Anfang nahm.
Zwei Stunden später war ich erschöpft, aber wir eilten weiter. Zwischen dicht stehenden Bäumen hindurch und durchs Unterholz, das mich dauernd zum Stolpern brachte. Die ganze Zeit über ging es nur bergauf. Manchmal war es so dunkel, dass ich meine Begleiter kaum noch sehen konnte, dann schien wieder der Mond durchs kahle Geäst und brachte vereinzelte Schneeflecken auf unheimliche Weise zum Leuchten. Mein Umhang war dick, aber nicht dick genug, um die eisige Winterluft daran zu hindern, meine Finger und Zehen gefühllos zu machen. Ich fror bis ins Mark hinein. Miranna erging es keinen Deut besser.
Ich hatte keine Vorstellung davon, wohin wir marschierten, doch London schien sich sicher zu sein, während Davan die Nachhut bildete. Notwendigerweise bewegten wir uns langsam voran. Mehr als einmal ließ London uns im unheimlichen, furchterregenden Schattenreich zurück, um das Gebiet vor uns zu erkunden.
Einige Male rissen unsere Führer uns auch auf den Waldboden herab, wenn Stimmen mit deutlichem cokyrischem Akzent und Hufschläge an unsere Ohren drangen. Jedes Mal verspürte ich eine unbeschreibliche Angst, während ich mir ausmalte, wie scharfe Schwerter auf uns niederfuhren. Ich war nicht in der Lage, mir vorzustellen, wie es wäre, von einer Klinge durchbohrt zu werden. Würde der Tod schnell eintreten? Würde ich es noch spüren, wenn die Klinge aus meinem Fleisch gezogen wurde? Die Aussicht auf ein blutiges Ende, das noch vor Kurzem unvorstellbar gewesen wäre, schien jetzt erschreckend nah.
Wenn die Feinde an uns vorübergeritten waren, zogen die Elitegardisten Miranna und mich wieder auf die Füße. Ich schaute mich um und fragte mich, ob dieselben Cokyrier auch dem König begegnen würden, und ob die andere Hälfte unseres Trupps ebenso viel Glück hätte. Wenn ich an Londons Abschiedsworte an Cannan dachte, schien es mir, als schwebten sie sogar in noch größerer Gefahr als wir.
Die ersten Sonnenstrahlen kletterten über den Horizont, und zwischen den nackten Ästen breitete sich langsam eine trübe graue Morgendämmerung aus. London befahl uns, zu rasten. Miranna und ich ließen uns sogleich auf die kalte Erde der kleinen Lichtung fallen, auf der wir gerade standen. Dann warf er uns einen Sack mit Brot und Dörrfleisch und einer Wasserflasche zu.
»Esst und schlaft, so schnell ihr könnt«, sagte er, blieb stehen und suchte mit den Augen die Umgebung ab. »Wir werden dann über eine Stunde lang nicht haltmachen. Ich bewege mich zwar nicht gern bei Tageslicht, aber in diesem Fall bringt uns jeder Schritt Richtung Westen einen Schritt fort von der Gefahr.«
Davan, der offenbar lieber zuhörte als selber zu sprechen, sagte nichts dazu, bezog jedoch Posten auf der anderen Seite.
»Werden die anderen uns einholen?«, fragte ich und stopfte mir gleichzeitig Essen in den Mund. Miranna aß nur sehr wenig, was mir Sorgen machte, denn ich fürchtete, dass sie in ihrer Verfassung nicht mehr lange durchhalten würde. Aber immerhin trank sie ebenso gierig wie ich.
»Nein«, erwiderte London und schenkte mir, auch wenn Davan ebenfalls Wache stand, nicht seine gesamte Aufmerksamkeit. »Sie nehmen einen etwas anderen Weg. Wir werden einander nicht vor dem Ziel begegnen.«
»Was genau ist denn die sichere –«
»Das wirst du früh genug erfahren«, schnitt er mir das Wort ab, aber nicht aus Verärgerung, sondern weil er uns wahrscheinlich instinktiv ruhig halten wollte. »Nutz die Zeit, die dir bleibt, lieber zum Schlafen.«
Ich nickte und riss mir noch ein Stück Brot ab, bevor ich den Rest wieder in den Sack zurückstopfte. Dann hoffte ich, dass das Zittern meiner Schwester aufhören würde, wenn ich sie mit meinem Körper wärmte. Daher schmiegte ich mich eng an sie und fiel sofort in einen leichten Schlummer.
»Alera, wach auf.«
Londons Stimme klang leise, aber drängend, und er hatte eine Hand über meinen Mund gelegt, als ich mich zwang, die Augen zu öffnen. Neben mir saß Miranna, sichtlich alarmiert. Davan kümmerte sich um sie. Er stellte sie auf die Füße und zog sie sogleich ins Unterholz, fort von der Lichtung.
»Folg ihnen«, befahl London mir. »Jetzt gleich. Wir haben Gesellschaft.«
Ich richtete mich mit klopfendem Herzen auf, während laute Stimmen von oberhalb des bewaldeten Hügels an mein Ohr drangen. Im Näherkommen hörte ich auch Pferdehufe durch trockenes Laub
Weitere Kostenlose Bücher