Alera 02 - Zeit der Rache
Gestalt zu sehen.«
»Hat man dich gesehen?« Das war London.
Galen schüttelte den Kopf. »Aber wer auch immer es sein mag, er bewegte sich so, als würde er sein Ziel ganz genau kennen.«
»Bleibt hier, Ihr beide«, befahl London und kommentierte Galens Beobachtung nicht weiter. »Wenn da jemand kommt, wollen wir ihn gebührend empfangen.«
London war schon dabei, sich noch weitere Waffen aus seinem Reisesack zu holen, und dieses eine Mal mokierte Cannan sich nicht über seinen Befehlston. Dann bemerkte ich, dass der Blick des Hauptmannes auf dem reglosen Steldor ruhte, und verstand, warum er keine Einwände gegen die Entscheidung seines Elitegardisten vorgebracht hatte.
»Ich werde sehen, was ich herausfinden kann«, sagte London abschließend, kam mit seinem Bogen in der Hand zu den anderen zurück und warf sich noch ein großes Bündel Pfeile über die Schulter.
Dann ging er hinaus, um den potenziellen Feind aufzuspüren, und löschte zuvor noch die Fackel nahe am Eingang der Höhle. So blieben wir mit dem Licht des flackernden Feuers und der Fackel, die dicht neben Steldor brannte, zurück. Ich überlegte fieberhaft, wie wir vorgehen sollten, falls wir fliehen müssten. Man müsste Steldor tragen, wozu man zwei Männer bräuchte. Die Aufgabe, Miranna und Temerson im Auge zu behalten, würde wahrscheinlich mir zufallen. Und wenn London nicht zurückkehrte? Wer würde uns dann auf unserer weiteren Flucht beschützen? Und wohin konnten wir überhaupt noch fliehen?
Aus Cannans und Galens Verhalten schloss ich, dass sie, wenn es nötig wäre zu fliehen, fast alles zurücklassen würden. Sie bereiteten nichts zum Aufbruch vor, sondern redeten in gedämpftem Ton miteinander, wobei ich Galen mehrmals wiederholen hörte, dass er nur eine einzige Person gesehen hätte. Einen einzelnen Feind zu überwältigen, wäre ja nicht so schwer und würde unsere Sicherheit auch nicht gefährden. Allerdings bestand natürlich das Risiko, dass dieser Einzelne nur der Kundschafter eines größeren Trupps war.
Trotz allem konnte ich es mir nicht erlauben, in Panik zu geraten. Cannan scheuchte inzwischen Temerson auf und drückte ihm bereits ein Schwert in die Hand, als Miranna gerade erst erwachte. Er winkte mich heran und trug mir auf, dafür zu sorgen, dass meine Schwester still blieb. Dann begab sich der Hauptmann zur Beobachtung an den Höhleneingang und überließ es Galen, nach Steldor zu schauen.
Während wir warteten, wurde kein Wort gesprochen. Die einzigen Geräusche waren die in das Becken plätschernden Wassertropfen, unser ängstliches Atmen und das gelegentliche Stöhnen von meinem Gemahl. Ich ging davon aus, dass Galen bereit war, es falls nötig mit seiner Hand zu ersticken. Miranna hatte sich in meinen Armen vergraben und wimmerte von Zeit zu Zeit. Jedes Mal schossen Cannans Augen warnend in meine Richtung, doch es gab wenig, das ich tun konnte, um sie zum Schweigen zu bringen.
Die Zeit verging quälend langsam, bis irgendwann ein Schrei an unsere Ohren drang. Er klang wie der Ruf eines Vogels, nur lauter, und mir war keine Vogelart vertraut, die solche Geräusche machte. Cannan trat näher zu uns und warf einen verwirrten Blick in Galens Richtung, dessen Schulterzucken die Bestätigung dafür war, dass hier etwas Seltsames vor sich ging.
Galen stand auf und näherte sich Cannan. Ich fragte mich, was die beiden wohl wussten und wovon ich keine Ahnung hatte. Was mutmaßten sie? Ein Tier? Cokyrier, die einander Zeichen gaben? Stammte der Schrei vielleicht von London, und überlegten sie, auf ihn zu antworten oder gerade nicht? Doch nichts geschah. Sie lauschten nur weiter, bis der Ruf erneut ertönte, diesmal leicht verändert.
»Das ist London«, murmelte Cannan voller Überzeugung. »Warte«, sagte er streng, als Galen schon den Mund aufmachte, um ihn zu erwidern.
Mir schien, als würde der Hauptmann die Augenblicke zählen, die verstrichen, dann erklang noch einmal der erste Ruf und zwar offenbar genau dann, als er es erwartet hatte.
»Das ist einer unserer Männer«, verkündete er.
»Das kann doch nicht sein!«, rief Galen ungläubig aus. »Temerson sagte doch, sie seien alle gestorben, außer –«
»Es ist einer von uns. Ich weiß nicht, wer, aber einer von uns.«
Galen fand sich widerwillig mit dieser vagen Antwort ab. Doch er musste nicht lange warten. Kurze Zeit später waren von draußen Geräusche zu hören, die von Londons Rückkehr kündeten. Dann traten er und ein weiterer Mann in die
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