Alera 02 - Zeit der Rache
rosafarbenem Samt gepolsterten Sessel Platz und fürchtete mich vor dem, was der Hauptmann mir gleich eröffnen würde.
Er hatte sich auf ein cremefarbenes Brokatsofa gesetzt, und seine finstere Miene wie auch sein ernstes Gebaren ließen in mir den Verdacht aufkeimen, ich würde sogleich erneut verhört. Andererseits schöpfte ich aber auch ein wenig Hoffnung, denn wenn er vorhätte, mich zu tadeln, wäre ich wohl eher in sein Arbeitszimmer zitiert worden.
Er ließ einige Zeit verstreichen, und ich überlegte fieberhaft. Wollte er wohl Bedauern über meine Missetaten hören? Erwartete er, dass ich mich rechtfertigte? War er im Auftrag meines Vaters hier? Aber sosehr ich mir auch das Hirn zermarterte, mir fiel kein anderer Grund für seine Anwesenheit ein als die katastrophale Zusammenkunft am Tag zuvor.
Es war Cannan, der schließlich das Gespräch eröffnete.
»Ich weiß, wie hart der gestrige Tag für Euch war«, sagte er, und ich meinte sogar eine Spur Mitgefühl aus seinen Worten herauszuhören. Trotzdem reagierte ich nicht, sondern spielte nur mit den Falten meiner Robe.
»Zweifellos seid Ihr in Sorge wegen der Reaktionen derjenigen, die bei unserem gestrigen Gespräch zugegen waren. Doch dazu habt Ihr keinen Grund.«
Diese Äußerung traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Denn selbst wenn er bislang keinerlei Missbilligung oder Vorwürfe formuliert hatte, so war ich doch auf irgendeine Form von Kritik gefasst gewesen.
»Ich verstehe nicht ganz«, war alles, was ich hervorbrachte.
»Ihr seid die Königin, Alera. Der einzige Mensch, dem Ihr Rechenschaft schuldet, ist der König.«
Immer noch unfähig, die Bedeutung seiner Worte zu erfassen, musste ich sofort an meinen Vater denken, der seit der Zusammenkunft nicht mehr mit mir gesprochen hatte. Mein Bedauern wuchs, während ich mich an die Enttäuschung in seinem Blick erinnerte.
»Aber mein Vater …«, wandte ich ein und war nicht einmal in der Lage, diesen quälenden Gedanken laut auszusprechen.
»Hört mir zu«, hob Cannan noch entschlossener an. »Ihr schuldet Eurem Vater keine Rechenschaft mehr. Ihr seid die Königin, und damit steht Ihr über allen außer Steldor. Euer Vater ist nurmehr einer Eurer Untertanen, und er hat Euch mit dem gleichen Respekt zu begegnen wie alle anderen Bürger Hytanicas.« Er wartete, bis diese Worte in mein Bewusstsein gedrungen waren, bevor er fortfuhr. »Im Leben eines jeden Menschen gibt es Dinge, die er bereut, ob Bauer oder Fürst, Offizier oder König. Ihr seid davon nicht qua Geburt ausgenommen. Doch das ist kein Grund, den Kopf hängen zu lassen – es gibt nichts, wofür Ihr Euch schämen müsstet.«
Danach herrschte für eine Weile Schweigen. Cannans Rat klang vernünftig, auch wenn es mir seltsam vorkam, dass ich im Rang über meinem Vater stehen sollte. Ich blieb dennoch beunruhigt. Einige meiner Sorgen hatte ich Miranna anvertraut, aber sie kannte Steldor nicht genau genug, um mir Ratschläge zu geben. Cannan dagegen konnte mir etwas über das Wesen seines Sohnes sagen. Der Hauptmann musterte mich geduldig, als ob er spürte, dass es da noch etwas gab, das ich gerne mit ihm besprechen würde. Ich beschloss, es zu riskieren, sein Missfallen zu erregen, indem ich das Thema anschnitt.
»Gestern Abend war Steldor so aufgebracht, dass ich nicht einmal weiß, wie ich es beschreiben soll«, begann ich vorsichtig, denn ich wollte keine Einzelheiten über meinen Zusammenstoß mit seinem Sohn preisgeben. »Es fühlte sich fast wie … Hass an. Und war in seiner Intensität geradezu furchterregend.«
Cannan nickte, zeigte aber keinerlei Neugier auf das, was vorgefallen war. Das war für mich ein weiterer Grund, ihm dankbar zu sein.
»Steldor ist bedauerlicherweise für seinen Jähzorn bekannt. Daher hatten Galen und ich einige Mühe, ihn zu besänftigen, bevor er Euch aufsuchte.«
Ich ließ seine Worte auf mich wirken und verschlang meine Finger ineinander. Wollte er mir damit tatsächlich sagen, dass der Tobsuchtsanfall, den ich erlebt hatte, eine schwache Version dessen war, womit ich eigentlich hätte rechnen müssen?
»Steldor hasst Euch nicht, Alera«, versuchte er es erneut und blickte dabei aus dem Fenster, als sei er fasziniert von der Aussicht. Ich schloss daraus jedoch eher, dass seine nächsten Worte von besonderer Bedeutung sein mussten. »Mein Sohn ist ein sehr leidenschaftlicher Mensch, und zwar in vielerlei Hinsicht. Und wenn ein leidenschaftlicher Mensch eine Kränkung erfährt, kann
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