Alera 02 - Zeit der Rache
Kleid zum Geburtstag meiner Schwester zu tragen, dann würde er im Gegenzug etwas erwarten, weil er glaubte, unser seltsames kleines Spiel gewonnen zu haben. Und das konnte ich keinesfalls zulassen.
6. JUNGEN UND MÄNNER
Am Abend von Mirannas Fest zog ich eine weiße Bluse mit weißen, bauschigen Ärmeln unter ein himmelblaues Kleid mit vorne geschnürtem Mieder an. Es war weniger festlich als die Robe, die Steldor für mich in Auftrag gegeben hatte, aber trotzdem hübsch. Viel wichtiger war mir jedoch, dass es farblich so weit von Elfenbein und Gold weg war, wie nur möglich, denn dann würde es sich mit Steldors Garderobe – was auch immer er tragen mochte – ordentlich beißen. Mit verschlagener Miene musterte ich mein Spiegelbild über der Frisierkommode und war nicht nur mit meiner Kleidung, sondern auch mit meinem Haar zufrieden, das kunstvoll in einem Lockenbouquet auf meinem Hinterkopf aufgetürmt war und von einem Diadem aus Silber und Diamanten gekrönt wurde.
Zufrieden verließ ich mein Schlafgemach und trat in den Salon, wo Steldor auf dem Sofa saß. Seine Füße in blank polierten schwarzen Stiefeln lagen übereinandergeschlagen auf dem niedrigen Tisch. Als er mich sah, hob er die Augenbrauen. Ich begegnete trotzig seinem Blick und forderte ihn geradezu heraus, meine Aufmachung zu kommentieren.
»Liebling«, sagte er und klang geradezu kränkend nachsichtig. »Was hast du denn bloß die ganze Zeit gemacht, wenn du dich nicht für das Essen zu Ehren deiner Schwester umgezogen hast?«
»Ich bin bereit, unsere Gäste zu begrüßen, sobald Ihr es auch seid«, erwiderte ich freundlich, aber bestimmt. Ich durchquerte den Raum und blieb neben der Tür stehen. Steldor erhob sich und wirkte belustigt.
»Das da wirst du aber nicht tragen«, stellte er nüchtern fest.
»Doch das werde ich.«
»Nein, wirst du nicht.«
»Doch, werde ich.«
»Du wirst lächerlich aussehen.«
»Wie meint Ihr?«, sagte ich gekränkt.
»Es hat nichts mit dem Kleid zu tun oder damit, dass es dir nicht passen würde«, erklärte er und rollte dabei mit den Augen, als müsse er jemand, der begriffsstutzig war, eine Selbstverständlichkeit erklären. »Aber es passt einfach nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil deine Garderobe in keinster Weise zu meiner passt.«
Das war absolut richtig und mir eine große Genugtuung. Er trug schwarze Hosen und ein elfenbeinfarbenes Hemd unter einer eng anliegenden goldenen und smaragdgrünen Weste. Das Ensemble ließ ihn ärgerlicherweise geradezu göttlich gut aussehen. Neben Himmelblau wirkte es allerdings grässlich.
»Dann wird unser Äußeres eben unseren unterschiedlichen Persönlichkeiten entsprechen«, erwiderte ich.
Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare. »Geh und zieh dich um.«
»Das werde ich nicht tun.« Ich hatte die Hände in die Hüften geschoben und biss die Zähne zusammen.
»Sieh es doch einmal so, Alera«, begann er und ich konnte schon am Glitzern in seinen Augen sehen, dass er gleich versuchen würde, mich zu manipulieren. »Jeder wird annehmen, dass du unsere Kleidung für diesen Abend gewählt hast und dass es deine Absicht war, dass wir gut zusammenpassen. Wenn wir so gehen, wird man dich für diesen grässlichen modischen Fehltritt verantwortlich machen. Wenn du allerdings das Kleid anziehst, dass ich für dich habe machen lassen, dann überlasse ich dir den Ruhm und man wird dich für deinen großartigen Geschmack loben. Du hast die Wahl. Aber wie auch immer – mich wird keine Schuld treffen. Also sag selbst, ob du lieber die Verantwortung für einen Schandfleck oder für ein Kunstwerk übernimmst?«
Nachdem er geendet hatte, ließ er sich wieder träge aufs Sofa sinken, streckte die Arme auf der Lehne aus und grinste breit und selbstsicher. Ich hatte mein Vorgehen nicht wirklich zu Ende gedacht, so viel war klar, aber nachdem ich mich nun einmal darauf eingelassen hatte, kam ein Rückzieher für mich nicht mehr infrage.
»Du könntest dich ja umziehen. Das ginge viel leichter als bei mir.«
»Stimmt«, gab er mit einem Kichern zu. »Aber ich sehe bereits perfekt aus.«
»Also, ich bin mir sicher, dass du auch in etwas anderem perfekt aussehen kannst.«
»Ja, zweifellos, aber warum sollte ich etwas duplizieren, was bereits perfekt ist, wenn sich auch verbessern lässt, was es noch nicht ist?«
Ich hätte ihn am liebsten umgebracht. Damit dieser mich so maßlos verärgernde göttliche Mund ein für alle Mal geschlossen blieb. Und
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