Alera 02 - Zeit der Rache
wenn das Beenden seines Lebens der einzige Weg dorthin wäre, dann hätte ich absolut nichts gegen diesen Schritt einzuwenden. Doch stattdessen holte ich tief Luft und unternahm einen neuerlichen Versuch.
»Wenn ich mich noch einmal umkleide, dann ist meine Frisur ruiniert.«
»Du weißt doch, Liebes, dass du deine Frisur sowieso noch einmal ändern solltest. Ich habe dir ja bereits gesagt, dass du es offen tragen sollst. Und dann nimm doch auch gleich ein anderes Diadem.«
»Wie die Dinge liegen, sind wir nur schon ziemlich spät dran«, polterte ich und gab mir Mühe, noch einigermaßen zivilisiert zu klingen, obwohl es in mir brodelte. »Du könntest dich viel rascher umziehen.«
»Nicht nötig. Du weißt ja bereits, was du anziehen wirst. Ich müsste erst nach etwas weniger Elegantem suchen, das zu dem Kleid passt, das du jetzt trägst, und trotzdem dem Anlass angemessen wäre. Und ganz ehrlich, hast du mich jemals etwas tragen sehen, das zu Himmelblau passen würde?«
Ich verfiel in ein ärgerliches Schweigen, denn sosehr ich es auch hasste, das zugeben zu müssen, sein Argument war stimmig. Meist trug er dunkle oder kräftige Farben, nie etwas, das auch nur entfernt zu meiner momentanen Kleidung passte. Ich hasste mich selbst für das, was ich nun tun musste.
»Ich werde warten«, sagte Steldor, der meine Miene perfekt gedeutet hatte.
Also stürmte ich in mein Schlafgemach zurück, warf mir das gold- und elfenbeinfarbene Kleid über, das ich trotz seiner unübertroffenen Schönheit entschlossen war zu hassen. Danach legte ich die Kette aus Gold und Perlen um und löste finster entschlossen meine Frisur. Zum Schluss knallte ich mir noch das von Steldor gewünschte Diadem auf den Kopf, marschierte durch den Salon und ohne auf ihn zu warten zur Tür hinaus.
Weil ich auf dem Flur meine Schritte beschleunigte, war ich weit vor Steldor an der Prunktreppe angelangt. Aber auch wenn ich auf diesem Gebiet nicht besonders bewandert war, wusste ich immerhin, dass die Königin in offizieller Funktion nicht einfach ohne den König antanzen konnte, also wartete ich vor Wut kochend auf ihn. Lässig kam er hinter mir hergeschlendert, offenbar erfreut, als Sieger aus unserer trivialen Auseinandersetzung hervorgegangen zu sein. Seine Haltung änderte sich jedoch, sobald er mich eingeholt hatte, denn er hielt mir mit einem gewinnenden Lächeln seinen Arm hin und legte den für ihn typischen Charme an den Tag, so wie jemand anders sich einen Umhang umlegte.
Ich reagierte missmutig und schob meine Hand grob in seine Armbeuge, um mich von ihm die Treppen hinunter und in den Speisesaal im Parterre führen zu lassen, wo unsere Gäste sich bereits versammelt hatten. Lanek erwartete uns schon, und auf Steldors Kopfnicken hin betrat er den Raum, um unser Eintreffen zu vermelden.
»Begrüßt allesamt König Steldor und seine Königin, Lady Alera.«
Ich ließ den Blick über die kleine Gästeschar schweifen, die vor uns knickste oder sich verneigte. Ich war diese Respektsbezeugung zwar gewohnt, aber es fühlte sich seltsam an, meine Eltern als Untertanen vor mir zu haben. Steldor schien solches Unbehagen nicht zu verspüren, sondern hatte sich offenbar schon erstaunlich gut an den Glanz seines Amtes gewöhnt.
Lanek machte Platz, und mein Gatte und ich betraten den Saal. Tadark, der mit London neben den Türen gestanden hatte, durch die wir gerade hereingekommen waren, sprang hinter Steldor her, während London blieb, wo er war. Mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand gelehnt. Bei solchen Gelegenheiten war es üblich, jedem Angehörigen der Königsfamilie einen Elitegardisten zuzuteilen, auch wenn die mögliche Gefährdung gering bis nicht vorhanden war. London war selbstverständlich für mich zuständig, und ich konnte mir nur vorstellen, dass Cannan sich ein bisschen hatte rächen wollen, als er Tadark Steldor zugeordnet hatte. Der Gardist mit dem kindlichen Gesicht war furchtbar anhänglich, geschwätzig und ziemlich nervös, trotz seines stets verkündeten Pflichtbewusstseins. Kurz gesagt, sollte es Probleme geben, wäre es weitaus wahrscheinlicher, dass Steldor Tadark hätte beschützen müssen als umgekehrt. Und wenn alles ruhig blieb, war es ziemlich wahrscheinlich, dass der enervierende Gardist Steldor verrückt machte. Auch dem Rest meiner Familie waren Elitegardisten zugeteilt worden: Destari und Orsiett, der einmal als Mirannas zweiter Leibwächter fungiert hatte, für meine Eltern, Halias war wie immer der
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