Alera 02 - Zeit der Rache
Schatten meiner Schwester.
Die Männer standen am hinteren der beiden offenen Kamine im Saal, die Ehefrauen plauderten ein wenig abseits von ihnen. Meine Schwester und die jüngeren Gäste drängten sich vor dem großen Erkerfenster, von dem aus man den gesamten westlichen Innenhof überblickte.
Meine Eltern kamen als Erste auf uns zu, um uns persönlich zu begrüßen. Mein Vater wandte sich herzlich an Steldor, mir dagegen nickte er nur zu. Meine Mutter teilte ihre Aufmerksamkeit gerecht zwischen uns beiden auf. Steldor warf mir einen fragenden Blick zu, nachdem der ehemalige König sich entfernt hatte, doch ich ignorierte ihn und konzentrierte mich stattdessen auf die melodiöse Stimme meiner Mutter.
»Ich bin sehr stolz darauf, wie gut du dich in deine neue Rolle gefügt hast, Liebling«, sagte sie und schien meine jüngsten haarsträubenden Eskapaden außer Acht zu lassen. Sie streckte die Hand aus und strich mir übers Haar, obwohl ich vermutete, dass ihre liebevolle Geste in erster Linie dazu gedacht war, eine widerspenstige Locke zu bändigen, ohne mich in Verlegenheit zu bringen. Schließlich hatte ich nicht einmal mehr in den Spiegel geblickt, nachdem ich meine Frisur geändert hatte.
»Und ich muss dir zur Wahl deiner Garderobe gratulieren. Du hast ja nicht immer die nötige Geduld für Mode aufgebracht, aber heute Abend seht ihr beide, du und Steldor, großartig aus, und dein Kleid ist wirklich exquisit. Ihr gebt ein herrliches Paar ab.«
Meine Mutter hatte die von Steldor vorhergesagte Schlussfolgerung gezogen, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, das Kompliment zur Kenntnis zu nehmen. Daher sah sie mich ein wenig verblüfft an, bis Steldor an meiner Stelle das Wort ergriff.
»Alera besitzt tatsächlich einen tadellosen Geschmack«, stimmte er ihr ungemein großzügig zu, allerdings schmunzelte er dabei so, dass nur ich es bemerkte.
Meine Mutter wandte sich ab, und wir fuhren fort, auch mit den anderen Gästen ein paar Worte zu wechseln. Die Herren unterhielten sich mit Steldor, während die Damen mir überschwängliche Komplimente machten. Obwohl ich das nie zugegeben hätte, wusste ich, das Steldor recht gehabt hatte, als er darauf bestand, dass ich mich umzog. Außerdem entsprach es ganz dem Bild des Kavaliers, dass er mir das Lob zukommen ließ.
Als es um uns herum etwas leerer wurde, eilte Baronin Faramay zu ihrem Sohn. Cannan folgte ihr in normalem Tempo.
»Ach, Steldor, mein Engel, wie gut du wieder aussiehst«, rief sie aus und reckte sich, um unnötigerweise den Kragen seines Hemdes glatt zu streichen. Ihre dichten, schokoladenbraunen Locken fielen ihr kreuz und quer über die Schultern und unterstrichen ihre umwerfend schönen Züge und das strahlende Lächeln, das ihr Sohn von ihr geerbt hatte.
»Hallo, Mutter«, erwiderte Steldor mit einem kaum hörbaren resignierten Unterton in der Stimme. Er verschränkte die Arme und grub die Finger in die Muskeln seiner Oberarme.
»Ich habe dich schon seit der Krönung nicht mehr gesehen«, fuhr Faramay fort und die Bewunderung für ihr einziges Kind sprach aus ihren strahlend blauen Augen. »Dabei vermisse ich dich so. Ich wünschte, du würdest einmal die Zeit finden, mich zu besuchen. Sicher verdient deine Ehefrau nicht deine gesamte Aufmerksamkeit.«
Sie warf einen gekränkten Blick in meine Richtung, und ich war mir nicht sicher, ob ich beleidigt oder amüsiert reagieren sollte. Machte sie mich tatsächlich für ihren seltenen Kontakt mit Steldor verantwortlich? War sie gar eifersüchtig auf mich? Schon die Vorstellung war absurd.
»Genau genommen, Mutter, hat das Regieren des Reiches meine Aufmerksamkeit verdient«, sagte Steldor, und diesmal war sein Sarkasmus unüberhörbar.
Sie streckte die Hand aus, um ihm das Haar aus der Stirn zu streichen, während sie einen Schmollmund andeutete, doch er drehte seinen Kopf weg.
»Lass das«, giftete er.
In diesem Moment trat Cannan an Faramays Seite und begrüßte mich nur mit einem leichten Kopfnicken, bevor er einen Arm um die Taille seiner Frau legte.
»Faramay, ich denke, du hast jetzt lange genug mit dem Jungen geredet«, sagte er und versuchte, sie wegzulotsen, doch sie ignorierte ihn und wandte sich erneut an Steldor.
»Na komm, mein Schatz, sei nicht böse«, flehte sie und legte eine ihrer zarten Hände an seine Brust. »Du weißt doch, dass ich keinen Sinn für Politik habe.«
»Ja, natürlich«, sagte Steldor ungeduldig. »Ich verzeihe dir. Und jetzt geh.«
»Aber
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