Alera 02 - Zeit der Rache
die warmen braunen Augen waren identisch.
»Ja, ja, natürlich. Und ich bin in der Tat dankbar dafür, dass wir unser Zuhause innerhalb der Stadtmauern besitzen. Allerdings musste ich einige Dinge, die mir lieb und teuer sind, zurücklassen und würde nun gern jemand schicken, sie zu holen.« Alantonya spielte nervös mit ihrem Ehering, als sie daran dachte, was sie verlieren könnte. »Doch Koranis erlaubt absolut niemand, sich dorthin zu begeben, nicht einmal einem Diener. Ich weiß also nicht, in welchem Zustand sich unser Anwesen befindet oder auch nur, ob eine echte Gefahr besteht.«
»London war kürzlich dort«, verriet ich und ließ das unerhebliche Detail weg, dass ich dabei gewesen war. »Ich werde ihn gleich herrufen – vielleicht vermag er Euch zu beruhigen.«
Ich drehte mich um und schenkte dem Eindruck, dass sich die Atmosphäre irgendwie verändert hatte, keine weitere Beachtung. Dann winkte ich meinem Leibwächter, der nur ein paar Schritte entfernt in seiner üblichen Haltung mit verschränkten Armen an die Schlossmauer gelehnt stand. Pflichtbewusst richtete er sich auf und wollte schon auf mich zukommen, als er plötzlich abrupt innehielt. Ich legte fragend den Kopf zur Seite und runzelte, verwirrt von seinem Verhalten, die Stirn. Mein Stirnrunzeln wurde zu einer finsteren Miene, als er fast unmerklich den Kopf schüttelte und zu seinem Platz an der Mauer zurückkehrte. Ich starrte ihn weiter an und konnte nicht glauben, dass er mir nicht gehorchte, aber er wich standhaft meinem Blick aus.
»Tut mir leid«, sagte ich zu Alantonya. »Ich weiß nicht, was London zu diesem Verhalten bewegt, aber …«
»Ist ja nicht so wichtig, Eure Hoheit«, beeilte sie sich, mir zu versichern, auch wenn das ihren Aussagen von vorher vollkommen widersprach. »Ich vertraue darauf, dass unser Besitz unversehrt ist.«
»Na-natürlich«, stammelte ich und war von ihrem Gesinnungswandel ebenso irritiert wie von Londons ungewöhnlichem Benehmen. Ich ließ meinen Blick über die anderen Frauen der Runde streifen: auf Faramay, die sich außer für ihren Sohn für nichts zu interessieren schien, auf Baelics Frau Lania, die ihre Schwägerin verwundert ansah, auf meine Mutter, die eine Hand besänftigend auf Tandas Oberarm gelegt hatte, und auf Tanda, die fast traurig dreinsah.
»Entschuldigt mich für einen Augenblick«, sagte ich, weil ich zum einen nicht wusste, wie ich das verlegene Schweigen überbrücken sollte, zum anderen, weil ich eine Erklärung von meinem widerspenstigen Gardisten verlangen wollte.
Ich verließ die Gruppe und machte ein paar Schritte auf das Schloss zu, nur um festzustellen, dass London sich von seinem Platz fortbewegt hatte. Ich kam mir töricht vor, weil ich die Damen verlassen hatte und nun allein dastand. Also schaute ich herum, um London wiederzufinden. Im schwindenden Abendlicht brauchte ich eine Weile, bis ich ihn bei Steldor, Galen und den jungen Damen entdeckte, die inzwischen alle neben einem der doppelstöckigen Marmorbrunnen standen. Ich sah, wie er sich zu Halias gesellte, der sich im Schatten der Bäume aufhielt. Mit einer gewissen Genugtuung entdeckte ich, dass Tadark immer noch an Steldor klebte, während Temerson alle Hoffnung aufgegeben zu haben schien und allein auf einer der Bänke saß, die das große Bassin des Brunnens umstanden. Es lag sicher nicht in der Absicht meiner Schwester, ihren jungen Brautwerber zu vernachlässigen, aber er wirkte dennoch traurig.
Ich ging den Weg entlang auf den Gardisten zu, der inzwischen zu Galen und Steldor getreten war und sich mit ihnen unterhielt, was es mir schwer machte, ihn zur Rede zu stellen. Er irritierte mich mit jedem Augenblick mehr.
»Wir haben ihn schon Haushofkellermeister genannt«, hörte ich London frech zu Steldor sagen, während ich herankam.
Steldor brach in Gelächter aus und gab seinem besten Freund einen scherzhaften Stoß, den Galen mit einem Grinsen quittierte, obwohl man sich gerade auf seine Kosten amüsierte.
»Aber du weißt genau, dass du daran schuld bist! Ich konnte es wohl kaum zulassen, dass der König sich allein betrinkt!«
Galen verpasste Steldor einen Stoß, und Tadark trat hinter den Haushofmeister, vermutlich um einzugreifen, falls er zu grob würde. Er schien besorgt, dass mein Gatte Schaden nehmen könnte. Letztlich fürchtete Tadark aber wohl vor allem, als unzureichender Leibwächter dazustehen.
Jeder beobachtete amüsiert, wie der König und sein Haushofmeister in der Art
Weitere Kostenlose Bücher