Alera 02 - Zeit der Rache
uns zurück und begaben uns in unsere Gemächer. Er betrat den Salon nach mir, und ich überlegte noch, etwas zu ihm zu sagen, doch als ich mich umdrehte, war er bereits in seiner Schlafkammer verschwunden. Verärgert erwog ich, an seiner Tür zu klopfen, aber ich wollte nicht, dass er falsche Schlüsse hinsichtlich meines Interesses zog. Also wartete ich einige Momente, um zu sehen, ob er aus eigenem Antrieb noch einmal meine Gesellschaft suchen würde. Dabei kam ich mir ziemlich dumm vor, wie ich so allein mitten im Raum stand. Während ich noch überlegte, ob ich mich setzen und weiter warten oder mich gleich in mein Schlafgemach zurückziehen sollte, kam er wieder heraus und hatte sich etwas weniger Festliches angezogen. Mit einem leichten Nicken in meine Richtung machte er Anstalten, zu gehen, und band sich seinen Schwertgürtel wieder um. In Gedanken zog ich denselben Schluss wie Miranna es kürzlich getan hatte – dass Steldor vielleicht die Gesellschaft anderer Frauen suchte, weil ich ihm meine nicht gewährte.
»Wohin geht Ihr?«, rief ich nervös.
»Warum kümmert Euch das?«, fragte er und klang ehrlich neugierig, während er bereits die Tür öffnete.
»Weil i-ich … ich nur an Euer Versprechen denken musste, in dem Ihr mir auch die körperliche Treue gelobt habt.« Verlegen biss ich mir auf die Lippe und hoffte, er würde überhaupt darauf eingehen. »Da kann ich einfach nicht anders als mich fragen, wessen Gesellschaft Ihr sucht.«
Er drehte sich langsam um und sah mir ins Gesicht. Ich schaute verlegen auf und war auf eine zornige oder zumindest ärgerliche Reaktion gefasst. Stattdessen schien meine Äußerung ihn zu belustigen.
»Dann sorgst du dich also tatsächlich um mein Seelenheil, ja?«, fragte er. Ich rang erneut um Worte, aber er winkte bereits ab. »Das musst du nicht. Meine Seele wird nicht in Gefahr sein, bis wir nicht das Lager geteilt haben. Der Vollzug ist eine der Bedingungen der Ehe, weißt du das noch?«
Ich verzog das Gesicht, heftete meinen Blick auf das Teppichmuster und wünschte, ich hätte das Thema gar nicht angeschnitten. Ein Moment lang herrschte Schweigen, dann spürte ich seine Hand unter meinem Kinn. Als ich den Kopf hob, gab er mir einen langen und sinnlichen Kuss. Sein bezaubernder Duft umfing mich, und ich hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er ging jedoch seiner Wege, als wäre nicht das Geringste zwischen uns vorgefallen. Die unerwarteten Empfindungen – Lust und zugleich schreckliche Verwirrung –, die sein Kuss bei mir ausgelöst hatte, ließen mich in mein Schlafgemach taumeln, wo ich mich rasch zu Bett begab. In der Rückschau wirkte der ganze Abend surreal: Baelics Angebot, mit mir auszureiten, Alantonyas Fragen nach Narian, Londons ungewöhnliches Benehmen, Steldors Kompliment, die Liebe, die ich in seinem Kuss gespürt hatte, meine Reaktion auf seine Avancen. Ich lächelte verwirrt, denn auch wenn ich völlig erschöpft war, fürchtete ich, mein rastloser Verstand und mein verschrecktes Herz würden mich noch stundenlang wach halten.
7. VERBINDUNGEN
Es dauerte nicht lange, bis ich auf Baelics Angebot, mich zu einem Ausritt mitzunehmen, zurückkam. Nur eine Woche nach Mirannas Festessen ließ ich ihm durch einen Diener meine Bitte ausrichten. Schon eine Stunde später kehrte der Mann mit der Nachricht zurück, dass ich noch am selben Nachmittag in Baelics Stadthaus willkommen sei und, wenn es mir beliebte, auch zum Abendessen bleiben solle.
Ich genoss meinen Tag, weil ich nun etwas hatte, worauf ich mich freute. Miranna, meine süße Schwester, die mitunter so flatterhaft und wenig ernsthaft wirkte, die aber immer wieder erstaunlichen Tiefgang bewies, war mir ansonsten die liebste Gesellschaft. Aber in letzter Zeit hatte sie von nichts anderem mehr gesprochen als von dem Jungen, der nun offiziell um sie werben durfte. Daher hatte ich begonnen, mich nach anderen Konversationsthemen zu sehnen. Und da kamen mir Baelic und seine Familie als Abwechslung gerade recht.
Am frühen Nachmittag ließ ich im königlichen Marstall Bescheid geben, dass man eine Kutsche bereit machen und vor das Haupttor bringen solle. Dann verließ ich mein Arbeitszimmer und kehrte nur noch kurz in mein Schlafgemach zurück, um meine Garderobe zu überprüfen und mir einen leichten Reiseumhang mitzunehmen. Danach eilte ich aus dem Palast. Als ich den Hof überquerte, fand ich die Fliederbüsche in voller Blüte und herrlich duftend, was perfekt zu meiner
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