Alera 02 - Zeit der Rache
hören«, scherzte er, deutete auf die Schwelle und führte mich in den Garten. Mit einer leichten Verbeugung fügte er abschließend hinzu: »Mit Eurer Erlaubnis werde ich mich jetzt zurückziehen und damit fortfahren, meinen Bruder zu ärgern.«
»Aber selbstverständlich«, sagte ich laut lachend, und schon machte er sich auf den Weg zu Cannan, meinem Vater, Koranis und Garreck, die ein Stück nach rechts den Weg hinunter beisammenstanden und sich an dem gewürzten Wein gütlich taten, der dort serviert wurde.
Die älteren Damen hatten sich ebenfalls zusammengefunden und sprachen auch dem Wein zu, während sie entspannt miteinander plauderten. Auf dem Weg direkt vor mir waren Galen, Steldor, Temerson und die jungen Mädchen versammelt. Tadark, Steldors Leibwächter am heutigen Abend, klebte regelrecht an ihm, während Halias deutlich diskreter höfliche Distanz zu meiner Schwester wahrte. Temerson wirkte ziemlich desillusioniert. Ich vermutete, er hatte gehofft, Steldor würde aufhören, mit ihrer Zuneigung zu spielen, sobald er Miranna offiziell den Hof machen durfte. Doch das war offenbar nicht der Fall. Auch Galen flirtete ziemlich ungeniert, und alle jungen Damen kicherten über die Scherze der beiden Freunde. Auch wenn ich wusste, dass Temerson das Herz meiner Schwester bereits erobert hatte, spürte ich Zweifel daran, ob es ihm gelingen würde, die Rolle als ihr Ehemann auszufüllen. Ich wusste nicht, ob es ihm je gelingen würde, in einer solchen Runde seinen Mann zu stehen.
Die Aussicht, Zeugin der ungebrochenen Beliebtheit meines Mannes zu werden, lockte mich nicht, also beschloss ich, mich zu meiner Mutter, Faramay, Alantonya, Lania und Tanda zu gesellen. Doch diese Entscheidung bereute ich bald, denn das Thema ihrer Unterhaltung behagte mir kein bisschen. Leider war es da schon zu spät, um sich abzuwenden, ohne unhöflich zu wirken.
»Koranis verbietet uns streng, auch nur seinen Namen in den Mund zu nehmen«, vertraute Baronin Alantonya den anderen gerade an, als ich näher kam. Sie klang traurig und besorgt. »Es ist schlimmer als vor seiner Rückkehr, als wir ihn noch für tot hielten. Aber es gelingt mir einfach nicht, so zu tun, als hätten wir nie einen weiteren Sohn gehabt, und zu wissen, dass er irgendwo lebt, macht mich ganz … Eure Hoheit!«
Alantonya brach ab, als sie mich bemerkte, und versank in einem tiefen Knicks. Die anderen Damen taten es ihr gleich, wobei Faramays Augen dauernd zu Steldor huschten. Sie schien jede seiner Bewegungen zu beobachten, und ich begann Steldors Reaktion auf sie zunehmend besser zu verstehen.
»Vielleicht kann Alera Euch ein wenig beruhigen«, sagte meine Mutter und nahm das Gesprächsthema wieder auf. Eindeutig war sie über meine wahre Beziehung zu Alantonyas Ältestem nicht im Bilde. »Sie war eng mit Narian befreundet und vermag Eure Sorgen vielleicht ein wenig zu zerstreuen.«
Alantonyas hoffnungsvolle azurblaue Augen taten mir im Herzen weh, und ich musste um meine Fassung ringen. Ich wollte in dieser Gesellschaft nicht über Narian reden. Meine Gefühle für ihn sorgten dafür, dass es mich bereits schmerzte, auch nur seinen Namen auszusprechen. Gleichzeitig konnte ich das Leid im Gesicht der Baronin nicht ignorieren, das meinem eigenen so sehr glich.
»Narian … nun, ich weiß auch nicht, warum er fortgegangen ist oder wohin«, presste ich hervor, und auf ihrem Gesicht breitete sich Enttäuschung aus. »Aber ich glaube, dass er irgendwann nach Hytanica zurückkehren wird – zumindest wissen wir ja, dass er nicht nach Cokyri zurückgekehrt ist. Und falls Euch das ein Trost ist – er hat immer gut von Euch gesprochen, und ich bin mir sicher, er weiß, dass Ihr Euch um ihn sorgt, wo auch immer er jetzt sein mag.«
Sowenig aufschlussreich sie auch waren, schienen meine Worte Alantonya dennoch zu trösten. Daher dankte sie mir von ganzem Herzen, bevor sie ihre andere Sorge ansprach.
»Koranis gestattet uns auch nicht, das Landgut zu besuchen. Er sagt, es liege zu nah an der cokyrischen Grenze. Ich verstehe ja, dass eine gewisse Gefahr besteht, aber ich habe Sorge, dass es noch geplündert werden könnte. Erinnert Ihr Euch an die Überfälle im letzten Krieg? Und es liegt ja so nah am Fluss …«
»Das Wichtigste ist doch, dass Eure Familie in Sicherheit ist«, wandte Temersons Mutter, Lady Tanda, sanft ein. Da fiel mir zum ersten Mal die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn auf. Ihr Haar war nur eine Schattierung dunkler als sein Zimtbraun,
Weitere Kostenlose Bücher