Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
ich.
»Er war nicht immer so.« Er schenkte ein zweites Glas ein und gab es mir. »Spielen Sie Schach, Alex?«
»Nein. Ich habe vor langer Zeit mal die Regeln gelernt. Aber ich war nie sehr gut darin.«
Redfields Gesichtszüge wurden weicher, als habe er einen unverschuldeten gesellschaftlichen Makel bei mir festgestellt.
Zu Hause schaltete ich mich in die Nachrichten ein. Es gab Berichte über einen weiteren Zusammenstoß mit den Stummen. Ein Schiff war beschädigt worden, und es hatte ein paar Todesfälle gegeben. Es hieß, von der Regierung werde kurzfristig eine Erklärung erwartet.
Auf der Erde wurde ein Volksentscheid über die Abspaltung durchgeführt. Die Abstimmung ließ nach letzten Meldungen zwar noch ein paar Tage auf sich warten, doch mehrere bedeutende Politiker unterstützten die Bewegung, und die Analytiker gelangten nun zur Auffassung, daß eine Annahme wahrscheinlich sei.
Ich sah kurz in die anderen Nachrichten hinein, um festzustellen, ob es etwas von Interesse gab, während Jacob bemerkte, die wirkliche Frage sei, was die Zentralregierung unternehmen würde, wenn die Erde wirklich eine Abspaltung versuche. »Sie können nicht einfach zusehen und sie gehen lassen«, stellte er bedrückt fest.
»Dazu wird es nie kommen«, sagte ich. »Das ist doch nur Teil des Wahlkampfs auf der Erde. Örtliche Politiker geben sich hart, indem sie den Direktor angreifen.« Ich machte mir ein Bier auf. »Kommen wir zur Sache.«
»Okay.«
»Befrage die Hauptspeicher. Was haben sie über Leisha Tanner?«
»Ich habe schon nachgesehen, Alex. Es gibt anscheinend relativ wenig über Rimway. Drei Monographien liegen vor, die sich alle mit ihren Errungenschaften bei der Übersetzung und Kommentierung ashiyyurischer Literatur befassen. Alle drei stehen dir zur Durchsicht zur Verfügung. Ich möchte bemerken, daß ich sie mir bereits vorgenommen und nichts gefunden habe, was dir helfen könnte, wenngleich sich in ihnen viel von allgemeinem Interesse findet. Wußtest du, daß die ashiyyurische Kultur um fast sechzigtausend Jahre älter als die unsrige ist? In all dieser Zeit haben sie keinen Denker hervorgebracht, der die Tulisofala übertraf, oder zumindest keinen, der ihre Reputation besitzt. Sie tauchte ziemlich früh in ihrer Entwicklung auf und formulierte viele ihrer ethischen und politischen Grundsätze. Die Tanner neigte dazu, ihr die Stelle einzuräumen, die bei uns Plato innehat. Sie hat übrigens einige faszinierende Schlußfolgerungen aus dieser parallelen …«
»Später, Jacob. Was gibt es noch?«
»Zwei weitere Monographien sind bekannt, aber nicht mehr in den Speichern erhalten. Daher wird es schwierig sein, sie ausfindig zu machen, falls es sie überhaupt gibt. Eine beschäftigt sich anscheinend mit ihren Fähigkeiten als Übersetzerin. Die andere trägt jedoch den Titel ›Diplomatische Initiativen des Widerstands‹.«
»Wann wurde sie veröffentlicht?«
»1330. Vor vierundachtzig Jahren. Sie war 1342 vergriffen, und das letzte Exemplar, das ich aufspüren konnte, verschwand gegen 1381. Der Besitzer starb, der Nachlaß wurde versteigert; und es gibt keine Unterlagen über eine Aufnahme in öffentliche Bibliotheken. Ich versuche es weiter. Örtlich sind vielleicht noch ein paar vergriffene Bücher erhältlich. Esoterische Sammlerstücke, obskure Abhandlungen und so weiter, die häufig nie auf den Index übernommen wurden. Leider sind unsere Datenbanken nicht das, was sie sein könnten.
Einige Zeitschriften und Memorabilien wurden auf Khaja Luan gesammelt, wo sie vor und nach dem Krieg Dozentin war. Die Konföderierten-Archive haben ihre Tagebücher, und das Marinemuseum Hrinwhar besitzt fragmentarische Memoiren. Beide Einrichtungen befinden sich übrigens auf Dellaconda. Und meinen Quellen zufolge sind die Memoiren äußerst fragmentarisch.«
»Nach der Schlacht benannt«, sagte ich.
»Hrinwhar? Ja. Eine wunderbare Taktik, wirklich. Sim war brillant. Absolut brillant.«
Am nächsten Tag besuchte ich ein halbes Dutzend Universitäten, das Quelling-Institut, die Historische Gesellschaft Benjamin Maynard und die Versammlungsräume der Söhne der Dellacondaner. Mich interessierte natürlich alles, was die Tanner mit Talino, oder, weiter gefaßt, dem Widerstand in Verbindung brachte.
Es gab nicht viel. Ich fand in privaten Dokumenten, alten Geschichtsbüchern und so weiter ein paar Hinweise auf sie. Ich kopierte alles und bereitete mich auf einen langen Abend vor.
Nur wenig des Materials
Weitere Kostenlose Bücher