Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
zu fliegen. Wohin, weiß ich nicht. Hören Sie, mir ist die ganze Sache etwas unangenehm. Aber er hat mich vor Saraglia warten lassen, nachdem ich eine beträchtliche Summe meines eigenen Geldes ausgegeben hatte.«
»Saraglia. Dorthin flog die Capella , als sie verschwand.«
»Stimmt. Ich sollte ihn dort treffen.«
»Und Sie wissen nicht, wohin er danach wollte?«
»Er hat es mir nicht gesagt.«
»Kommt mir seltsam vor.« Ich gab mir keine große Mühe, den Argwohn zu verbergen, daß sie aus Gabes Tod vielleicht einen persönlichen Vorteil ziehen wollte. »Er hatte selbst einen Pilotenschein. Seit über vierzig Jahren, und ich habe nie erlebt, daß er sich von jemandem fliegen ließ.«
Sie zuckte die Schultern.
»Darauf habe ich auch keine Antwort. Ich weiß es nicht. Aber so lautete unsere Vereinbarung. Die Reisezeit eingerechnet und einen Vorschuß abgezogen, schuldet er mir zwei Monatslöhne sowie die Unkosten. Ich habe alles dokumentiert.«
»Haben Sie einen Vertrag?«
»Nein«, sagte sie. »Wir hatten eine Abmachung.«
»Aber nichts Schriftliches?«
»Hören Sie, Mr. Benedict.« Ihre Stimme wurde schroffer. »Versuchen Sie, mich zu verstehen. Ihr Onkel und ich haben im Lauf der letzten Jahre sehr oft zusammengearbeitet. Wir haben einander vertraut. Und wir kamen gut miteinander zurecht. Wir hatten keinen Grund, auf formale Verträge zurückzugreifen.«
»Was für Forschungen?« fragte ich. »Hatten sie etwas mit der Tenandrome zu tun?«
»Ja.« Einer der Scheite gab nach und fiel ins Feuer. »Es ist ein Vermessungsschiff. Es war vor ein paar Jahren draußen in der Verschleierten Dame, und offenbar haben sie dort etwas gefunden.« Sie entspannte sich leicht und legte den Kopf gegen die Lehne zurück. Ihre Augen schlossen sich. »Gabe wollte wissen, was es war, doch ich habe es nicht herausfinden können.«
Saraglia liegt am Rand der Verschleierten Dame, eine entfernte modulare Welt von gewaltigen Ausmaßen und sich ständig verändernder Schwerkraft, letzter Anlaufpunkt für die großen Vermessungsschiffe, die ständig den gewaltigen Trantischen Arm kartografieren und untersuchen. »Und von dort wollten Sie ihn irgendwohin bringen?«
»Ja. Irgendwohin.« Sie zuckte die Achseln.
»Was haben Sie über Ihr Ziel gewußt? Sie müssen doch irgendwelche Informationen gehabt haben. Entfernung. Wie lange Sie unterwegs sein würden. Irgend etwas. Haben Sie ein Schiff gemietet?«
Sie blickte auf die Aufstellung hinab, die sie für mich angefertigt hatte. »Wird es wegen des Geldes Schwierigkeiten geben?«
»Nein«, sagte ich.
»Na schön.« Sie lächelte vielsagend. »Ich hatte mich bereits um ein Schiff gekümmert. Ich habe ihn gefragt, wohin es gehen würde, doch er hat gemeint, er würde es mir sagen, wenn er dort ankäme. Auf Saraglia, heißt das.«
»Wollte er Saraglia sofort nach seiner Ankunft verlassen?«
»Ja«, sagte sie, »ich glaube schon. Ich hatte Anweisungen, das Schiff startbereit zu halten. Es war übrigens ein altes Patrouillenboot. Ein verdammtes Schiff.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Er hat mir auch gesagt, wir wären fünf bis sieben Monate unterwegs.«
»Welche möglichen Ziele schließt das ein?«
»Schwer zu sagen. Wenn man sich an die Vorschriften hält, würde man weniger als die Hälfte dieser Zeit im eigentlichen Sternenflug verbringen. Sagen wir, jeweils drei Monate hin und zurück, dann wären es etwa achthundert Lichtjahre. Doch wenn man die Vorschriften ignoriert – und sie lassen sich dort draußen eigentlich sowieso nicht anwenden – und den Sprung so nahe wie möglich ans Ziel macht, dann wären das vielleicht fünf Monate im Hyperraum, also ein Maximum von fünfzehnhundert Lichtjahren.«
»Was haben Sie über die Tenandrome herausgefunden?«
»Nicht viel. Abgesehen davon, daß es eine ziemlich unheimliche Sache war.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die Vermessungsschiffe, jedenfalls die großen, fliegen normalerweise Vier- oder Fünfjahresmissionen. Die Tenandrome kehrte nach anderthalb Jahren zurück. Und niemand kam von Bord.«
»Ist Saraglia der erste Zwischenhalt auf dem Rückflug?«
»Bei diesem Sektor, ja. Sie halten dort traditionsmäßig, und der Kapitän erstattet dem Hafendirektor persönlich Bericht. Sie klären Nachschubfragen, führen die Inspektion der Hazard-Kontrollen durch, und dann hauen alle ein paar Tage auf den Putz. Dort herrscht eine Jahrmarkt-Atmosphäre. Doch als die Tenandrome ankam, war alles anders. Der offizielle Bericht wurde
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