Alex Benedict 03: Die Suche
gesagt?«
»Die Frage ging gar nicht erst durch die offiziellen Filter.«
Mich überraschte, dass Alex auch nur daran hatte denken können, so weit zu gehen. Wenn der ältere Plotzky unter neuem Namen ein neues Leben führte, war er mit einem vollständigen Satz falscher Erinnerungen und mit den zugehörigen Lebensgewohnheiten ausgestattet worden. Er dürfte nun ein braver Bürger sein. Durchbricht man jedoch die Mauer der falschen Erinnerungen, kann niemand sagen, was passieren würde.
Er nahm mir meine Missbilligung übel. »Wir sprechen über Objekte von enormem Wert, Chase«, sagte er. »Ich kann nicht behaupten, dass ich allzu viel Mitgefühl mit ihm habe. Wenn er auch nur ein bisschen was getaugt hätte, hätte er diesen Prozess überhaupt nicht durchlaufen müssen. Außerdem könnten sie die Prozedur schließlich auch ein zweites Mal durchführen.«
»Gehen wir davon aus, dass er die Tasse gestohlen hat?«
»Hältst du es für wahrscheinlich, dass er ein Liebhaber der schöneren Dinge im Leben war?«
Die Einbrecherkarriere des ersten Plotzky hatte vor beinahe zwanzig Jahren, im Jahr 1412, geendet, als er zum dritten Mal verurteilt worden war – in siebzehn Anklagepunkten. Zum ersten Mal war er 1389 festgenommen worden. Die Beweise deuteten darauf hin, dass er während der dreiundzwanzig Jahre, die zwischen der ersten Festnahme und der dritten Verurteilung lagen, ununterbrochen in seinem gewählten Beruf aktiv gewesen war.
»Also«, fragte ich, »wie hilft uns das weiter?«
»Wir versuchen herauszufinden, bei welchem Einbruch er diese Tasse gefunden haben könnte.«
»Und wie stellen wir das an? Gibt es darüber Polizeiberichte?«
»Ja. Es gibt Berichte über alle ungelösten Einbruchsfälle in Plotzkys Betätigungsfeld. Aber die stehen nicht zur Verfügung. Datenschutz.«
»Also müssen wir die Medienberichte durchgehen.«
»Würde ich sagen.«
»Das bringt aber nichts. Er muss das Ding mitgenommen haben, weil es ihm ins Auge gesprungen ist. Offensichtlich war ihm nicht klar, welchen Wert es hatte, sonst hätte es nicht die ganzen Jahre auf dem Sims zugebracht. Hätte irgendjemand vom Diebstahl einer neuntausend Jahre alten Tasse berichtet, dann hätte Plotzky erfahren, was er da hatte.«
»Gutes Argument«, stimmte Alex zu.
»Okay, hör zu: Ich sage es nur ungern, aber wir haben inzwischen Grund zu der Annahme, dass wir Beihilfe leisten. Wir helfen dabei, gestohlene Ware abzustoßen.«
»Das wissen wir nicht, Chase. Das ist nur eine Vermutung.«
»Richtig. Diese Einbrecherfamilie hat ganz einfach einen Sinn für Antiquitäten.«
Langsam wurde ihm unbehaglich zumute. Er wirkte frustriert. Draußen nahm der Wind zu, der Sturm wurde stärker. »Machen wir Folgendes«, sagte er. »Wir legen einige Parameter für Jacob fest und lassen ihn eine Suche in den Medienberichten des entsprechenden Zeitraums durchführen. Was hätten wir schon verloren, falls wir keinen Einbruchsfall finden, mit dem die Tasse in Zusammenhang stehen könnte?«
Die Sache war eigentlich gar nicht so unwahrscheinlich, wie es auf den ersten Blick schien. Einbruchsdelikte sind zu einem seltenen Phänomen geworden. Die meisten Leute besitzen hochmoderne Alarmsysteme. Außerdem ist kriminelles Verhalten so oder so eher ungewöhnlich. Wir leben in einem goldenen Zeitalter, auch wenn ich befürchte, dass die meisten Leute das überhaupt nicht begriffen haben.
Was mich auf die Margolianer brachte und auf die Welt, die fünftausend Menschen dazu treiben konnte, zu verschwinden, auf die Seeker und die Bremerhaven aufzuspringen und sich auf den Weg in den unbekannten Raum zu machen. Wie ist es wirklich gewesen, im siebenundzwanzigsten Jahrhundert zu leben?
Hohe Kriminalitätsrate. Intoleranz. Politische Unterdrückung. Umweltprobleme. Religiöser Wahn. Was immer Sie wollen.
»Jacob«, sagte Alex. »Überprüf die Nachrichtenmeldungen über Einbruchsdelikte in der Gegend von Andiquar zwischen 1389 und 1412. Du suchst nach Hinweisen auf die Seeker oder auf eine neuntausend Jahre alte Tasse.«
»Suche wird eingeleitet«, sagte er.
Alex saß auf dem großen, weichen, von Hand gepolsterten Sofa gegenüber dem Schreibtisch. Er trug einen altmodischen grauen Pulli und wirkte geistesabwesend. Er griff nach einem Buch, schlug es auf, klappte es zu, stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus in den Schneesturm. »Ich kann dich rufen«, schlug ich vor, »wenn er fertig ist.« Mir wäre lieber gewesen, er würde hinauf in sein
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