Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
nach Salud Afar gekommen. Nein, es ging sogar noch weit darüber hinaus: Wir waren ausgezogen, um ein Rätsel zu lösen und vielleicht das eine oder andere Leben zu retten, sollte tatsächlich jemand in Gefahr sein. Ich glaube, wir hatten beide damit gerechnet, dass Vicki irgendeiner geistigen Erkrankung zum Opfer gefallen sei und wir am Ende zurückkehren würden und uns mit dem Wissen hätten begnügen müssen, dass das der einzige Grund für all unsere Mühen gewesen sei.
Aber das! Wir sahen zu, wie sich unzählige Leute in Bewegung setzten, um eine Welt zu retten!
Natürlich ist an der Idee durchaus etwas dran zu warten, bis der Scheck gutgeschrieben ist, ehe man mit dem Ausgeben des Geldes beginnt und große Worte schwingt. Wie dem auch sei. Die Nachbarn kamen herüber, und das Geschrei und die Umarmungen gingen von vorn los. Jedes Mal, wenn wieder jemand an der Tür war. Natürlich waren alle bei ihrem Eintreffen nass, die meisten durchnässt, aber das war egal. Wir umarmten sie trotzdem.
Im Zuge all dessen fragte ich Selotta irgendwann, wieso es überhaupt dazu gekommen sei. »Warum sind Ihre Nachbarn so engagiert?«
»Weil sie alle wollen, dass die ständigen Kriege aufhören«, sagte sie. »Aber da ist noch mehr.«
»Und das wäre?«
»Sie haben alles geteilt, was Sie gesehen und gefühlt haben. Sie waren ebenfalls auf Salud Afar! Durch Sie! Sie haben die Kinder gesehen und die Massen auf den Straßen. Und sie haben die Furcht geschmeckt.«
Wir feierten immer noch, als Giambrey unsere Aufmerksamkeit einforderte, doch dieses Mal sah er schockiert aus.
»Was ist passiert, Giambrey?«, fragte ihn einer unserer Besucher über seinen Stimmgenerator.
»Die Konföderierten schicken elf Schiffe. Elf! Fracht- und Passagierschiffe. Das ist alles! Es wurde gerade bekannt gegeben.«
»Elf?«, wiederholte ich. »Was zum Teufel denken die, dass Kilgore mit elf Schiffen anfängt?«
Alex sackte auf einen Stuhl. Kassel starrte einfach nur hinaus in den Regen.
»Symbolische Unterstützung«, sagte er und sah seine Frau an. Eine stumme Botschaft wanderte vom einen zum anderen. Selbst jetzt trauen sie uns nicht.
Vielleicht gerade jetzt nicht.
38
Am Ende geht es immer nur um Politik.
Nachtspaziergang
Gerüchten zufolge regte sich trotz der offiziellen Meldung starker Widerstand gegen die Entscheidung der Konföderationsregierung. Es hieß, dass ein Dutzend Welten unter Führung von Toxicon strikt dagegen seien, für Salud Afar Schiffe abzuziehen. Dass Whiteside vom Rat der Konföderierten überstimmt werden könnte. Aber am nächsten Tag hielt der Direktor in der Halle des Volkes auf Rimway eine Ansprache. Er saß hinter dem schlichten, ramponierten Schreibtisch, der zu seinem Image gehörte. Er sah gedankenverloren aus, und die blauen Augen stierten an uns vorbei in weite Ferne. Personen des öffentlichen Interesses pflegen bei derartigen Gelegenheiten stets aufrecht zu sitzen, aber Whiteside schmiegte das Kinn in die Hand, den Ellbogen auf die Schreibtischplatte gepflanzt. Sein Schnurrbart war, wie üblich, auf eine Art und Weise zerzaust, die andeuten sollte, dass er ein Mann der Tat sei, ein Entscheidungsträger, auf den man sich verlassen könne. Er schüttelte den Kopf, als beschließe er soeben erst, wie er vorgehen wolle, atmete tief ein und konzentrierte sich schließlich auf uns. Der Stuhl knarrte, als Whiteside sich vorbeugte, und erinnerte mich so daran, dass das Omikron auch Geräusche übertrug.
»Bürger und Freunde«, sagte er, »inzwischen dürften Sie alle wissen, welche verzweifelte Situation sich auf Salud Afar ergeben hat. Administrator Kilgore tut, was er kann, um die Lage zu bessern. Aber tatsächlich gibt es nicht viel, was er tun kann. Das Ausmaß der herannahenden Katastrophe ist einfach zu groß.
Viel zu groß.
Er hat die konföderierten Welten um Hilfe ersucht. Ich darf Ihnen mit Stolz verkünden, dass wir mit allen Mitteln, die uns zu Verfügung stehen, seiner Bitte nachkommen werden. Hunderte von Schiffen, von denen viele im Eigentum privatwirtschaftlicher Unternehmen stehen, einige auch in Privateigentum, sind, während ich heute Abend zu Ihnen spreche, bereits unterwegs. Administrator Kilgore hat eine Welt entdeckt, die derzeit in eine Zuflucht umgewandelt wird. Sie liegt nicht in der Nähe von Salud Afar, aber sie ist die nächste Welt, die die Natur den Bewohnern dieses Planeten bereitgestellt hat.
Wir werden dabei helfen, so viele Menschen wie möglich
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