Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
dass ich bereit war, wann immer er ins Horn stieß. »Ich weiß, ich verlange viel, Chase. Besonders, da es so kurzfristig ist.« Er zögerte, und ich ließ ihn leiden. »Ich könnte auch einen Piloten anheuern, wenn du es nicht organisiert bekommst.«
»Nein«, sagte ich. »Ich fliege dich. Wann reisen wir ab?«
»Sobald wir gepackt haben.«
Blieb noch Ben.
»Nein«, sagte er. »Nicht schon wieder! Nicht jetzt schon!«
»Ben, das ist ein Notfall! Und ich kann Alex nicht allein losziehen lassen!«
»Das sagst du jedes Mal, Chase! Damit lebe ich jetzt schon ziemlich lange Zeit. Ich denke, du wirst dich irgendwann einmal entscheiden müssen, was du willst!«
»Ich weiß.«
»Und? Was wirst du tun?«
»Ich kann ihn nicht einfach im Stich lassen, wenn er mich braucht!«
»Weißt du, Chase, wenn ich wenigstens für eine Minute glauben könnte, das wäre das letzte Mal, dann würde ich sagen, wunderbar, flieg los, wir sehen uns in, was, drei Monaten?« Wir saßen in seinem Gleitwagen und glitten die River Road hinunter. Ich wollte ihn zum Essen ausführen. Auf meine Rechnung. In drei Tagen hätte er Geburtstag, aber ich wäre an diesem Tag nicht für ihn da. »Also, was kannst du mir dazu sagen? Wird das das letzte Mal sein?«
Ich dachte darüber nach. Ich dachte immer noch nach, als er sagte: »Du musst nicht antworten. Ich denke, ich kenne die Antwort so oder so.«
5
Der Lagerraum nahm den gesamten, sehr beengten Raum über der Konzerthalle ein. Viel gab es dort nicht. Ein paar alte Instrumente, einige Kostüme, ein paar elektrische Ausrüstungsgegenstände. Ganz gewiss nichts, worüber man sich Sorgen machen musste. Zudem war der Raum sicher verschlossen, und niemand konnte ihn betreten, ohne dass Janice davon gewusst hätte. Folglich wäre es nur klug gewesen, hätte sie das Haus verlassen, als sie plötzlich Geräusche vernahm, Klopfen, Seufzen, schweren Atem. Sie hätte das Haus verlassen und die Polizei rufen sollen. Aber dann gäbe es keine Geschichte zu erzählen.
Tödliche Liebe
Meist freute ich mich nicht gerade darüber, wieder an Bord der Belle-Marie zu gehen. Vielleicht wurde ich langsam alt. Aber die Jacht vermittelt einem das Gefühl von Beengtheit, und das nicht nur im physischen Sinne. Ich schätze, ich war zu einer echten Städterin geworden. Ich mochte Partys, ich mochte Männer. Ich mochte den gesellschaftlichen Teil meiner Arbeit, den Teil, der von mir verlangte, mit Alex herumzuziehen und im Namen von Rainbow die Expertin für Öffentlichkeitsarbeit zu geben. Ich lernte eine Menge interessanter Leute kennen. Interessant insofern, als dass so viele von ihnen echte eigene Leistungen für sich hatten verbuchen können. Und viele von ihnen hegten zudem eine wahre Leidenschaft für die kleinen Dinge aus der Vergangenheit, die bisweilen Tausende von Jahren überdauert hatten. Zuzusehen, wie diese Leute durch unsere Wanderausstellung schlenderten, wie sie ihre Finger an die Vitrine mit den Rangabzeichen des Captains eines Schiffes drückten, das die Erde in den Anfangsjahren des interstellaren Zeitalters verlassen hatte, zuzuschauen, wie sie das Lasergewehr anstarrten, das versagt hatte, als Michael Ungueth versucht hatte, die Riesenechse im Zuge der Evakuierung von Maryblinque in Schach zu halten, zu hören, wie ihre Stimmen immer leiser klangen, bis nur noch ein Flüstern blieb … Welcher andere Job hatte schon so etwas zu bieten?
Vielleicht hatte sich zu viel verändert. Alex hatte eine Art von Besessenheit entwickelt, was Vicki anging, und ich wusste, es würde keinen Frieden geben, ehe er nicht herausgefunden hätte, welche Botschaft Vicki Greene uns zu schicken versucht hatte. Und doch, dieses eine Mal, war ich trotz aller Vorbehalte froh, unser Schiff wiederzusehen.
Alex war hinten in der Passagierkabine immer noch damit beschäftigt, Klienten anzurufen, während ich mich auf den Start vorbereitete. Als er endlich fertig war, rief er mich, dankte mir noch einmal und gestand, dass unser Ausflug vermutlich nicht sonderlich viel Sinn ergebe, wies aber zugleich darauf hin, dass wir dafür gut bezahlt würden. Zwanzig Minuten später waren wir unterwegs.
Als der Quantenantrieb vor vier Jahren erstmals auf den Plan trat und den alten Armstrongantrieb ersetzte, war mir die Reise mit dem neuen Antriebssystem beinahe vorgekommen, als trüge einen die neue Technik ohne Zeitverlust von einem Ort zum anderen. Der Antrieb konnte fünf Lichtjahre in wenigen Minuten
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