Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
sah. Auf der anderen Seite des Flusses. Ich sah zu, wie es am Ufer entlangglitt. Es war ein verschwommenes, trübes Licht und erinnerte mich vage an einen langen Mantel.
Ich weckte Alex.
»Was ist?«, fragte er.
Ich zeigte auf das andere Flussufer. »Sieh hin!«
Er rollte sich halb auf die andere Seite. »Das ist irgendein Tier!«, meinte er. »Vergiss es!«
»Es hat keine Ähnlichkeit mit irgendeinem der Tiere, die ich in meinem Leben gesehen habe!«
»Du bist auf einer anderen Welt, Chase! Was erwartest du?«
13
In den Medien sehen wir, dass übernatürliche Kreaturen, sobald sie die Bühne betreten, stets beunruhigend, widernatürlich und immer beängstigend sind. Es reicht zu sehen, wie sie davonhuschen, um Abscheu zu empfinden. Die Wahrheit, mein Kind, ist aber ganz anders! Diese Erscheinungen, die aus der Nacht kommen, die unsere Körper und Seelen heimsuchen, sind auf ihre eigene Art enorm anziehend. Hinreißend, könnte man sagen. Tatsächlich sind sie beinahe unwiderstehlich. Darum, mein Kind, sind sie so gefährlich.
Wärst du doch hier
Während ich noch zusah, entfernte sich das Etwas von den Bäumen und machte sich auf, den Fluss zu überqueren.
Ich stand auf und ging zum Ufer, ging so nahe ans Wasser heran wie möglich und machte Bilder. Es war nur ein heller Fleck, eine Art leuchtender Nebel. Eine Kerze, die durch die Nacht schwebte. Ich aktivierte meinen Link. »Identifizieren!«, forderte ich.
»Entfernung, bitte?«
»Fünfzig Meter.«
Ich beobachtete das Spiegelbild auf der Wasseroberfläche.
»Unbekanntes Objekt.«
»Es stimmt nicht mit irgendeiner Lebensform auf Salud Afar überein?«
»Negativ. Es gibt diverse mikroskopische …«
»Vielleicht ein Naturphänomen?«
»Ein Naturphänomen dieser Art ist nicht bekannt.«
Es hatte den Fluss beinahe hinter sich. Ich folgte dem Licht eilig, aber es glitt flussabwärts weiter, fort von mir. Ich sah zu, wie es über das Ufer schwebte und schließlich mit dem Wald verschmolz.
Ich beobachtete die Stelle noch eine Weile, noch lange, nachdem das Licht fort war. Es ist, so beschloss ich irgendwann, nur eine Reflexion gewesen. Oder vielleicht auch eine künstliche Illusion, ein weiterer Zombie, dazu angetan, Touristen zu verschrecken.
Tja, ich zappelte jedenfalls am Haken!
Ich kehrte zurück und schichtete ein neues Feuer auf. Der Fluss war still und dunkel. Ich kroch zurück in meinen Schlafsack, schloss die Augen und versuchte, über mich selbst zu lachen. Die Insekten wurden ein wenig lauter, und irgendwo knackte ein Zweig.
Schlaf, Kolpath!
Das Feuer knisterte und krachte. Mir gefiel der Geruch der brennenden Holzscheite. Er hatte etwas Besänftigendes.
Ich schlug die Augen auf und sah mich noch einmal um. Weit und breit nichts.
Aber ich konnte nicht mehr einschlafen. Mehrere Minuten lag ich nur da und lauschte auf Wald und Fluss, ehe ich schließlich aufstand, mir die Jacke um die Schultern wickelte, meine Lampe einschaltete und zum Flussufer zurückkehrte. Auch dort war nichts zu sehen. Ich fragte mich, ob jemand in einer Schaltzentrale sich gerade königlich auf meine Kosten amüsierte.
Callistra war untergegangen. Das Gebiet, in dem ich die Erscheinung im Wald hatte verschwinden sehen, lag in tiefer Dunkelheit. Das einzige Licht hier draußen kam, abgesehen von meinem Lampenschein, von dem nebligen Rand der Galaxie, der sich nun im Osten erhob.
Mir wurde kalt. Ich wollte gerade zurück zum Lagerfeuer, als ich ein Glimmen zwischen den Bäumen erblickte.
Es war zurück.
Ich schaltete die Lampe aus.
Es schien direkt am Waldrand zu sein, nicht ganz auf der Höhe der Baumspitzen, und trieb, immer wieder herabsinkend und aufsteigend, sacht mit dem Wind dahin.
Ich überlegte, ob ich Alex wecken sollte, aber der hätte sich nur wieder beklagt. Und vermutlich hatte er so oder so Recht. Bestimmt hatte er Recht. Trotzdem …
Als ich ein kleines Mädchen war, hatte ich eine Katze namens Ceily. Ich hatte mir immer einen Spaß daraus gemacht, mit einem Laser einen Lichtpunkt vor ihr auf den Boden zu werfen. Sie hat es geliebt, dem Licht nachzujagen, und ich habe den Laserpunkt durch das ganze Zimmer und über sämtliche Wände geführt. Wann immer der Lichtpunkt in ihre Reichweite geriet, duckte sie sich, schlich sich an und versuchte, ihn zu packen.
In dieser Nacht kam ich mir ein bisschen wie Ceily vor. Ich ging auf das Licht zu, langsam und vorsichtig, als fürchtete ich, es zu vertreiben. Der Boden war uneben, und
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