Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
Lichtkegel einen Wirrwarr aus Dornen und Beeren aus dem Dunkel riss.
»Nein«, sagte ich, »das Licht in den Bäumen!«
Er sah sich um. »Ich sehe kein Licht. Wer ist Ceily?«
Am Morgen kam mir das alles wie ein böser Traum vor. Alex hingegen dachte, es sei eine weitere Warnung gewesen, eine Aufforderung an uns, nun endlich zu verschwinden. Aber das war es nicht. Etwas da draußen hatte mich auf eine Art getroffen, die eine Reaktion meinerseits ausgelöst hatte, und dazu wäre irgendein dummer Trick nicht imstande gewesen.
Meine Knie waren immer noch weich, als wir die Leute von Marquesi’s, dem Bootsverleiher, anriefen, um uns nach Vicki zu erkundigen. Sie hatte ihr Boot beim örtlichen Bootsverleih gelassen, wo es geblieben war, bis Marquesi’s jemanden schicken konnte, um es abzuholen. »Sie haben doch nicht vor, das Gleiche zu tun?«, fragte er in feindseligem Ton.
»Ich werde Sie für Ihre Mühe entschädigen!«, versprach Alex.
»Meine Mühe ist mir verdammt teuer! Sie haben gesagt, Sie würden es zurückbringen!«
Alex traf die notwendigen Vereinbarungen, und wir ließen das Boot beim Bessarlik Bootsverleih zurück. Ach, wo wir doch gerade hier seien: Könne sich die Eigentümerin wohl daran erinnern, ob noch jemand anderes sein Boot hier zurückgelassen habe? Eine Frau namens Vicki Greene?
»Die Horrordame«, erwiderte sie. »Klar, die vergesse ich nie!«
»Warum? Hat sie sich irgendwie ungewöhnlich verhalten?«
»Oh, nein! Aber ich habe all ihre Bücher gelesen. Es war einfach toll, sie mal kennen zu lernen.«
»Was hatten Sie für einen Eindruck von ihr?«
»Was meinen Sie?«
»Ging es ihr gut? Oder war sie vielleicht irgendwie besorgt oder etwas in der Art?«
»Nein. Sie war sehr nett. Warum? Sie ist doch okay, oder?«
Vicki hatte auch erwähnt, dass sie nach Morgenthal wolle, eine Stadt, in der es Werwölfe gegeben haben sollte. Das hörte sich in der Tat nach einem Ort an, den Vicki würde aufsuchen wollen. Alex und ich besorgten uns ein Transportmittel, und schon eine Stunde später waren wir mit einem gemieteten Gleiter erneut unterwegs. Weit unter uns sah ich einen der fliegenden Knautschsessel am Waldrand entlangfliegen. Und plötzlich, noch während ich hinsah, peitschte ein langer, grüner Tentakel aus dem Wald hervor. Einen Moment später waren Tentakel und Knautschsessel verschwunden.
»Einbildung«, kommentierte Alex.
Vielleicht. Was auch immer. Soweit es mich betraf, waren Tentakel inzwischen kaum noch der Rede wert.
14
Ein Mensch braucht Zeit, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass er bald sterben wird. Wenn so etwas gewaltsam geschieht, plötzlich und unerwartet, ist er schlicht nicht bereit zu gehen. Er wird sich an seinem Lieblingssessel festhalten oder sich in eine KI verkriechen. Er wird an allem festhalten, was vertraut ist, und allen Bemühungen, ihn zu entfernen, standhalten. Am Ende werden Sie das Möbelstück wegwerfen müssen. Und wenn das nicht hilft, dann verkaufen Sie eben das Haus!
Mitternacht und Rosen
Der Werwolf war eine Pleite. Irgendwas heulte in den Wäldern um Morgenthal herum, aber es gab keinen Grund anzunehmen, dass sich dort etwas anderes als ein Mahare, das hiesige Wolfsäquivalent, herumtreiben könne. Außerdem, so fragte ich die Hausherrin des Hotels, in dem wir abgestiegen waren, wie könne es hier denn auch einen Werwolf geben, wo es doch gar keinen Vollmond gebe? Wenn es überhaupt keinen Mond gebe?
»Es passiert«, erwiderte sie in feierlichem Ton, »wenn Callistra direkt im Zenit steht!«
Ich lachte.
Sie wurde wütend. »Das ist die Wahrheit!«, erklärte sie. »Dieser Stern ist das Auge des Teufels!«
»Oh!«, brachte ich nur heraus.
»Bleiben Sie in der Nähe des Hotels, dann sollte Ihnen nichts passieren!«
Das Auge des Teufels. Da war es wieder. Der Arbeitstitel von Vickis nächstem Buch.
Die Archive offenbarten, dass es in der Gegend von Morgenthal vor vierzig Jahren eine Serie grausamer Morde gegeben hatte. Aber diese Morde waren einem außergewöhnlich bösartigen Mahare zugeschrieben worden. Die Werwolflegende war entstanden, weil ein junger Mann mit geistigen Problemen behauptet hatte, er sei der Mörder. Als die Behörden schließlich zu dem Schluss kamen, dass er psychiatrischer Hilfe bedürfe, verweigerte er diese. Man alarmierte die Polizei, woraufhin der Mann in den Wald flüchtete. Am nächsten Tag war seine Leiche in dem Fluss gefunden worden, der an der Stadt vorbeifloss.
Die
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