Alex Benedict 06 - Firebird
herrschte Dunkelheit, aber die Kabinenbeleuchtung brannte immer noch. Nirgends regte sich etwas. Und sie aus wenigen Metern Entfernung zu sehen, war etwas ganz anderes, als sie auf dem Schirm im Landhaus anzuschauen. Von zu Hause aus hatte sie einfach leer ausgesehen . Aus der Nähe konnten wir die Leere fühlen . Vielleicht weniger Leere als Verlassenheit. Ein Eindruck, der durch die offene Luke noch verstärkt wurde.
»Du glaubst wirklich, dass er dort drin gestrandet ist, nicht wahr?«, fragte ich.
Alex antwortete nicht.
Wir lagen neben ihr. Ich musterte die Bolzen und Streben, die Scanner der Jacht, die sich langsam drehten, und die Seriennummer, VV4–771 , die auf dem Rumpf prangte. Und da war wieder dieser Name: Tai Lin g. »Wir dürften ein paar Stunden Zeit haben, ehe wir uns Sorgen machen müssen, dass sie wieder springt«, sagte Alex. »Trotzdem sollten wir da drin nicht mehr Zeit verbringen als unbedingt notwendig.«
Unsere Anzüge hatten wir bereits angezogen. Der dritte lag in einem Frachtabteil im Heck. Wir ließen ihn dort.
»Wir werden ein wenig verzögern« , sagte Belle. »Halten Sie sich irgendwo fest.«
Wir gehorchten, und es gab einen leichten Ruck, bei dem wir einen Schritt voran befördert wurden, als wir uns der Geschwindigkeitsveränderung anglichen. »Okay« , sagte sie. »Näher kommen wir nicht heran.«
Die Verschleierte Dame sah heller aus, dichter, größer als je zuvor. Keine Ahnung warum. Meine Fantasie leistete Überstunden. Es kam mir vor, als hätte ich Chris Robin gekannt, und ich hoffte – ja, trotz allem –, dass er da drüben war, dass er in der Kabine schlief und auf Rettung wartete.
Der Himmel hing voller Sterne, und ich dachte an den alten griechischen Spruch, demzufolge sie aussahen wie die Lagerfeuer einer Invasionsarmee. Wir hatten uns angeleint, nur für alle Fälle. Und wir hielten Verbindung zum Schiff, damit Belle alles mitbekam.
Die offene Luke lag direkt vor uns, nur fünfzehn Meter entfernt. Ich stieß mich ab, schwebte hinüber und landete in der Luftschleuse der Feuervogel .
Dort drehte ich mich zu Alex um. »Okay«, sagte ich. »Wann immer du bereit bist. Mach langsam …«
Er trat aus der Luftschleuse. Ich sah, wie sich die Luke hinter ihm schloss, während er herübertrieb, und es ist schon komisch, wie lange so etwas zu dauern scheint. Als ich rübergeschwebt war, hatte das nur Sekunden gedauert, aber Alex hatte mit derlei Dingen so gut wie keine Erfahrung, und ich machte mir Sorgen, wie er wohl zurechtkam. Aber ich glaube, er erkannte, dass sich mein Atem beschleunigt hatte, und er sagte mir, ich solle mich entspannen. Auf halbem Wege schaltete er seine Unterarmlampe ein.
Er traf in gutem Zustand ein und purzelte in die Luftschleuse. Und sollte sich das anhören, als hätte er sich unbeholfen verhalten, so ist das nicht meine Absicht. Es ist nicht leicht, ohne Schwerkraft und in einem Druckanzug anmutig zu wirken. Wenn man sein Ziel erreicht, hat man sich schon recht gut geschlagen.
Ich löste die Leinen. Alex richtete die Lampe auf die Steuerkonsole. Ich drückte auf den Knopf, und die äußere Luke glitt herab, während über uns ein Licht aufflammte. Die Statustafel blinkte, was verriet, dass Luft in die Kammer einströmte. »Wenn wir drin sind, Chase, dann nimm den Helm nicht ab. Nur für den Fall, dass wir schnell verschwinden müssen.«
Wir konnten nach wie vor nicht sicher sein, dass das Schiff nicht außerplanmäßig abtauchen würde. Der Austritt, das Verblassen, dauerte etwas mehr als zwei Minuten. Ich stoppte die Zeit für den Druckausgleich mit, und ich glaube, Alex tat das Gleiche. Als schließlich die Luke nach oben glitt und wir in die Passagierkabine schauten, waren zwei Minuten und dreiundvierzig Sekunden vergangen. Falls der umgekehrte Prozess ebenso viel Zeit in Anspruch nahm, so würden wir, sollte die Jacht ihren Sprung initiieren, während wir an Bord waren, nicht mehr rechtzeitig rauskommen.
»Gibt es eine Möglichkeit« , fragte Alex, »beide Luken offen zu halten?«
»Dafür müssten wir in der ganzen Jacht den Druck ablassen«, sagte ich.
»Sehen wir uns einfach schnell um. Vielleicht sind wir gar nicht so lange hier.«
Die Beleuchtung wurde heller für uns. Zu unserer Rechten führte ein Gang zwischen den sechs Schlafquartieren nach hinten. Acht mobile Sitzplätze verteilten sich in der Kabine. Dahinter lag die Brücke.
Als die Jacht neu gewesen war, war dies eine luxuriöse Ausstattung gewesen, aber nun sah
Weitere Kostenlose Bücher