Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
eine Bande Gesetzloser auf.
Ich erfuhr erst heute Morgen davon. Ich habe Andrew angerufen, und wir sind zum Flughafen gesaust. Der Mann sagt, die Frau hieße Beatitude. Es wurde kein anderer Name benutzt. Ich habe in Ihrem Hotel angerufen, aber Sie waren bereits abgereist. Deshalb sind wir hier rausgefahren und haben Sie zum Glück noch erwischt.«
»Danke«, brachte ich schließlich hervor. Mir war klar, dass sie mir wohl alles gesagt hatten, was sie wussten.
»Und weshalb taucht dieser hilfreiche Dieb jetzt erst auf, nach so langer Zeit?«, fragte Sampson.
»Er sagte, vor ein paar Nächten hätte es eine Schießerei gegeben. Die hätte alles geändert. Sobald die weißen Männer tot waren, sei die Frau nicht mehr wichtig. So hat er es ausgedrückt.«
»Kennen Sie diese Gesetzlosen?«, fragte ich Detective Anthony.
»Männer, Frauen, Kinder. Ja, ich habe schon früher mit ihnen zu tun gehabt. Sie rauchen Marihuana, machen ihren religiösen Hokuspokus, beten Kaiser Haile Selassie an und was weiß ich. Ein paar von denen sind kleine Diebe. Meistens lassen wir sie laufen.«
Schweigen breitete sich im Wagen aus, als wir auf der Küstenstraße nach Runaway Bay und Ocho Rios fuhren. Der Wolkenbruch war schnell vorübergegangen, und die höllisch heiße Sonne schien wieder auf die Insel. Arbeiter mit Macheten an der Hüfte marschierten zurück auf die Zuckerrohrfelder.
Hinter dem Dorf Runaway Bay bog Detective Anthony von der Hauptstraße ab und schlug die Route A1 hinauf in die Hügel ein. Büsche und Bäume bildeten einen dichten Dschungel, bis die Straße schließlich zu einem Tunnel durch Ranken und Zweige wurde. Anthony musste die Scheinwerfer einschalten.
Ich hatte das Gefühl, durch Nebelschwaden zu schweben, und nahm alles wie in einem Traum wahr. Mir war klar, dass ich damit versuchte, mich psychisch zu schützen, aber ich wusste auch, dass ich es nicht schaffen würde.
Wer war Beatitude? Ich konnte einfach nicht glauben, dass Christine noch lebte, aber zumindest gab es eine Chance, und ich klammerte mich an diesen Hoffnungsfaden. Ich hatte vor Wochen aufgegeben. Jetzt erlaubte ich mir, mich wieder daran zu erinnern, wie sehr ich Christine liebte, wie sehr ich sie vermisste. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und ich wandte das Gesicht zum Fenster und ging tief in mich.
Plötzlich blendete mich grelles Licht. Nach zwei oder drei Meilen, die mir auf der kurvigen Straße viel länger vorgekommen waren, hatte der Wagen den Dschungel hinter sich gelassen. Wir gelangten in eine üppige grüne Hügellandschaft, die dem amerikanischen Süden in den fünfziger oder sechziger Jahren ähnelte – vielleicht Georgia oder Alabama. Kinder in altmodischer Kleidung spielten vor kleinen verkommenen Häusern. Ihre Eltern und Großeltern saßen auf schiefen Veranden und blickten gelegentlich vorbeifahrenden Autos nach.
Alles schien unwirklich. Ich konnte nichts deutlich erkennen.
Wir bogen auf einen schmalen Feldweg ein. Zwischen den tiefen Fahrspuren wuchsen dicke hohe Grashalme. Das musste der Ort sein. Mein Herz klopfte laut und klang wie eine Blechtrommel, die man in einem Tunnel schlägt. Jedes Schlagloch spürte ich wie einen kräftigen Stoß.
Beatitude? Wer war die Frau, die man gefangen hielt?
Könnte es möglicherweise doch Christine sein?
Sampson überprüfte das Magazin in seiner Glock. Ich hörte die Mechanik klicken und schaute zu ihm hinüber.
»Sie werden sich nicht gerade freuen, uns zu sehen, aber Sie werden keine Waffe brauchen«, erklärte uns Anthony. »Wahrscheinlich wissen die Leute, dass wir kommen. Sie beobachten die Straßen in der Gegend. Vielleicht ist Christine Johnson nicht mehr da – wenn sie überhaupt jemals dort war. Aber ich wusste, Sie würden sich selbst alles anschauen wollen.«
Ich sagte nichts. Ich konnte nicht. Mein Mund war staubtrocken und mein Kopf leer. Wir waren immer noch in das Spiel der Vier Reiter verstrickt, nicht wahr? War das hier Shafers Spiel? Hatte er gewusst, dass wir diesen Ort in den Hügeln letztendlich finden würden? Hatte er uns eine letzte, endgültige Falle gestellt?
Wir hielten vor einem alten Gewächshaus mit zerrissenen weißen Stoffbahnen über den Fenstern und einem Rupfensack vor dem Eingang. Sofort traten vier Männer heraus, alle mit Rastalocken.
Sie kamen mit entschlossenen Mienen auf uns zu. In ihren Augen leuchtete blankes Misstrauen. Sampson und ich kannten diesen Ausdruck von den Straßen in Washington.
Zwei der Männer trugen schwere
Weitere Kostenlose Bücher