Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Verbindungen?«, fragte ich, als wir die Treppe aus dem dritten Stock hinunterstiegen. »Was übersehe ich, zum Teufel?«
»Überhaupt nichts, Alex. Da ist nichts zu übersehen. Das Wiesel hat keinen Hinweis hinterlassen. Das tut er nie.«
Am Eingang trafen wir einen älteren Mann, der mit drei Plastiktüten Lebensmittel aus dem Stop & Shop ins Haus kam.
»Wir sind von der Mordkommission«, erklärte ich ihm.
»Gegenüber wurden zwei junge Mädchen ermordet.«
Der Mann nickte. »Tori und Marion. Ich hab die beiden gekannt. Sie wollen was über den Kerl wissen, der das Haus beobachtet hat? Hat fast die ganze Nacht da gesessen. In ‘nem schicken schwarzen Auto«, sagte er. »Mercedes, glaub ich.
Meinen Sie, dass er vielleicht der Mörder ist?«
I ch war ‘ne Zeit lang weg, wissen Sie. Hab meine alten Schwestern in North Carolina besucht. Eine Woche lang schöne Erinnerungen und leckere Hausmannskost«, erklärte der ältere Mann, als wir mit ihm wieder zum dritten Stock hinaufstiegen. »Deshalb war ich nicht zu Hause, als ihr Detectives alle befragt habt.«
Das ist Polizeiarbeit alter Schule, ging es mir durch den Kopf, als ich die Treppe hinaufstieg. Die Art von Arbeit, der zu viele Detectives aus dem Weg gehen wollen. Der Mann hieß Luke DeWitt und war Rentner. Er hatte für Bell Atlantic gearbeitet, das riesige Telefonunternehmen, das den Großteil des Nordostens der Vereinigten Staaten versorgt. DeWitt war die dreiundfünfzigste Person, die ich bis jetzt in Shaw befragt hatte.
»Gegen ein Uhr morgens habe ich ihn da sitzen sehen. Erst hab ich mir nicht viel dabei gedacht. Wahrscheinlich wartete er auf jemand. Schien sich um nichts zu kümmern. Um zwei war er immer noch da. Im Auto. Das ist mir irgendwie komisch vorgekommen.« Er machte eine Pause, als versuchte er sich zu erinnern.
»Weiter«, sagte ich. »Was ist dann passiert?«
»Bin eingeschlafen. Aber um halb vier bin ich aufgestanden, um aufs Klo zu gehen, und der Bursche saß immer noch in seinem glänzenden schwarzen Wagen. Da habe ich ihn mir genauer angeschaut. Er hat die andere Straßenseite beobachtet.
Wie ein Spion. Was er da so lange angestarrt hat, konnte ich nicht sehen, nur dass er irgendetwas nicht aus den Augen ließ.
Ich dachte, vielleicht ist er von der Polizei, aber sein Wagen war zu schick.«
»Da haben Sie wahrscheinlich Recht«, sagte Sampson und lachte auf. »In meiner Garage steht kein Mercedes.«
»Ich hab mir einen Stuhl ans dunkle Fenster in meiner Wohnung gezogen. Ich habe nirgends Licht gemacht, damit der Bursche mich nicht sehen kann. Aber jetzt hatte er irgendwie meine Aufmerksamkeit erweckt. Erinnern Sie sich an den alten Film ›Das Fenster zum Hof‹? Ich hab mich gefragt, warum der Kerl dort unten wartet. Eifersüchtiger Liebhaber? Eifersüchtiger Ehemann? Vielleicht irgendein Spanner? Aber soweit ich sehen konnte, hat er niemand belästigt.«
»Und Sie haben ihn nie deutlicher gesehen?«, fragte ich.
»Nur einen Mann, der in dem Auto gesessen hat?«
»Um die Zeit, als ich aufs Klo ging, ist er ausgestiegen. Hat die Tür aufgemacht, aber die Innenbeleuchtung ist nicht angegangen. Das ist mir komisch vorgekommen, weil es doch so ein toller Schlitten war. Das hat mich richtig neugierig gemacht. Ich hab die Augen zugekniffen, damit ich besser sehen konnte.« Wieder eine lange Pause.
»Und?«
»Er war ein großer blonder Gentleman. Ein Weißer. Nachts sehen wir hier nicht viele Weiße, am Tag eigentlich auch nicht.«
E s kam Bewegung in Detective Patsy Hamptons Ermittlungen in Sachen Jane-Namenlos-Morde. Positive Ergebnisse zeichneten sich ab. Patsy glaubte, die Sache gut im Griff zu haben, und sie glaubte an ihre Fähigkeit, die Mordfälle zu lösen. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie klüger war als alle anderen.
Es half ihr, Chief Pittman auf ihrer Seite zu haben und alles nutzen zu können, was die Abteilung aufbieten konnte. Patsy hatte die vergangenen anderthalb Tage mit Chuck Hufstedler im FBI-Gebäude verbracht. Ihr war bewusst, dass sie Chuck ausnutzte, aber das schien ihm nicht allzu viel auszumachen. Er war einsam, und Patsy mochte seine Gesellschaft. Um halb vier Uhr nachmittags saß sie immer noch mit Chuck da, als Lancelot wieder den Chatroom der Spieler betrat. Lacherlot, erinnerte sie sich.
»Er konnte einfach nicht widerstehen, stimmt’s?«, sagte sie zu Hufstedler. »Hab ich dich, du Fantasy-Freak.«
Hufstedler schaute sie an und zog die dicken schwarzen Brauen hoch. »Halb vier
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