Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Chief Pittman bei allem der Schurke war, nicht ich.
Der Jaguar fuhr aus der Einfahrt, und wir folgten Shafer zu einem Nachtlokal in Georgetown. Er schien nicht zu bemerken, dass wir ihn im Auge behielten. Das Problem war, dass wir ihn bei irgendetwas erwischen mussten. Bis jetzt hatten wir keinen stichhaltigen Beweis, dass er der Mörder war, den wir suchten.
Shafer saß allein an der Bar. Wir beobachteten ihn von der Straße aus. Hatte er sich absichtlich so nahe ans Fenster gesetzt? Wusste er doch , dass wir ihn observierten? Spielte er mit uns?
Ich hatte das üble Gefühl, dass der Bursche genau das tat.
Vielleicht war alles eine Art ausgefallenes, verrücktes Spiel für ihn. Viertel vor zwölf verließ er die Bar und war kurz nach Mitternacht wieder zu Hause.
»Mistkerl.« Patsy verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. Ihr blondes Haar war weich und wippte. Sie erinnerte mich stark an Jezzie Flanagan, eine Beamtin beim Geheimdienst, mit der ich bei einer Entführung zweier Kinder in Georgetown zusammengearbeitet hatte.
»Bleibt er jetzt den Rest der Nacht zu Hause?«, fragte ich.
»Was sollte das alles? Er verlässt das Haus, nur um sich in einer Bar in Georgetown ein Baseballspiel der Orioles anzusehen?«
»So war es schon die letzten Abende. Ich glaube, er weiß, dass wir hier draußen sind.«
»Er war Geheimdienstoffizier und kennt sich mit Beschattungen aus. Außerdem wissen wir, dass er Fantasy-Spiele liebt.
Wie dem auch sei – heute Nacht bleibt er daheim, deshalb fahre ich nach Hause, Patsy, okay? Ich lasse meine Familie ohnehin nicht gern allzu lange allein.«
»Okay, Alex. Danke für die Hilfe. Wir kriegen ihn. Und vielleicht finden wir Ihre Freundin auch bald.«
»Das hoffe ich.«
Auf der Heimfahrt dachte ich über Detective Patsy Hampton nach. Sie machte den Eindruck eines einsamen Menschen auf mich, und ich fragte mich, weshalb. Sie war eine interessante Frau, wenn man erst hinter ihre harte Fassade schaute. Vielleicht wirkte Patsy deshalb so einsam, weil bisher niemand diese Fassade hatte einreißen können.
In unserer Küche brannte noch Licht, als ich den Wagen auf die Einfahrt rollen ließ. Ich schlenderte zur Hintertür und sah Damon und Nana in Bademänteln am Herd. Alles schien in Ordnung zu sein.
»Störe ich bei einer Pyjama-Party?«, fragte ich, als ich mich durch die Tür schob.
»Damon hatte Magenschmerzen. Ich habe ihn in der Küche gehört und bin hergekommen, um ihn zu nerven.«
»Mir geht’s gut. Ich konnte bloß nicht schlafen. Ich hab gesehen, dass du noch weg warst«, sagte er. »Es ist Mitternacht durch.«
Er sah besorgt und ein bisschen traurig aus. Damon hatte Christine wirklich gemocht und mir mehrere Male gesagt, dass er sich sehr darauf freue, wieder eine Mom zu haben. Er hatte Christine bereits als Mutter betrachtet und vermisste sie nun umso mehr, wie auch Jannie. Zweimal schon hatte das Schicksal den Kindern Frauen weggenommen, die ungeheuer wichtig für sie und ihr Leben waren.
»Ich habe noch Überstunden gemacht«, sagte ich. »Es ist ein sehr komplizierter Fall, Damon, aber ich glaube, ich mache Fortschritte.« Ich ging zum Küchenschrank und holte zwei Teebeutel heraus.
»Lass nur. Ich setze euch Tee auf«, erbot sich Nana.
»Das mach ich schon«, sagte ich, doch Nana griff nach den Beuteln, und ich ließ sie gewähren. Es zahlt sich nicht aus, mit Nana zu streiten, vor allem nicht in ihrer Küche.
»Möchtest du Tee mit Milch, Großer?«, fragte ich Damon.
»In Ordnung.« Er sprach es Inoohnung aus, wie die Kids auf den Sportplätzen und sogar in der Sojourner Truth School.
»Du sprichst so gedehnt und langsam, wie Allen Iverson spielt«, tadelte ihn Nana, die Straßenslang noch nie ausstehen konnte. Sie hatte als Englischlehrerin angefangen und die Liebe zu Büchern und zur Sprache nie verloren. Sie liebte Toni Morrison, Alice Walker, Maya Angelou und auch Oprah Winfrey, weil sie deren Bücher einem größeren Publikum nahe brachte.
»Iverson ist der schnellste Manndecker der Liga, Grandma Moses . Das zeigt mal wieder, was du über Basketball weißt«, sagte Damon. »Wahrscheinlich glaubst du, dass Magic Johnson immer noch in der NBA spielt. Und Wilt Chamberlain.«
»Ich mag Marbury von den Timberwolves und Stoudamire von Portland. Hat früher bei Toronto gespielt«, erklärte Nana mit triumphierendem Lächeln. »Inoohnung?«
Damon lachte. Wahrscheinlich wusste Nana mehr über Manndeckung als wir beide. Sie konnte einen immer
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