Alex Cross 07 - Stunde der Rache
Palm, dem Spago im Caesars.
»Für gestern Abend sind keine Eintrittskarten oder Quittungen da«, sagte ich zu Kyle, der zurückgekommen war. »Wir müssen herausfinden, wohin sie gegangen sind. Möglich, dass sie dort ihre Mörder kennen gelernt haben. Sie müssen sich mit ihnen angefreundet und sie dann mit hierher genommen haben.«
Das Handy in meiner Tasche klingelte. Scheiße! Verdammt! Warum schleppe ich dieses teuflische Gerät überallhin? Warum muss jemand mit einigermaßen gesundem Menschenverstand ständig erreichbar sein?
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr, als ich das Telefon in die Hand nahm. Es war bereits elf Uhr abends. Was für ein Leben. Bis jetzt wussten wir nur, dass Andrew Cotton und Dara Grey einige Drinks im Rum Jungle getrunken hatten und dann ins Mirage gegangen waren, um die Magier zu sehen. Man hatte gesehen, dass sie sich mit zwei Männern unterhalten hatten, aber im Theater war es dunkel gewesen.
Seit dem frühen Abend hielt ich mich am Tatort im Bellagio auf. Der Fall ging mir unter die Haut. Die Morde waren brutal und urzeitlich primitiv. Ich hatte von ähnlichen Morden in Paris und Berlin gelesen. »Beißattacken«. Aber ich hatte so etwas noch nie mit eigenen Augen gesehen.
»Alex Cross«, meldete ich mich und wandte mich zum Fenster, durch das man den See und die Wüste in der Ferne sah. Der Anblick wirkte beruhigend, ein ungeheurer Gegensatz zu dem schrecklichen Verbrechen, das in dieser Suite stattgefunden hatte. »Hier ist Jamilla, Alex. Habe ich Sie geweckt?«
»Nein, keineswegs. Ich wünschte, Sie hätten. Ich bin an einem Tatort in Las Vegas und starre auf die Wüste hinaus. Sie sind selbst noch ziemlich spät wach«, sagte ich.
Es tat gut, ihre Stimme zu hören. Ich vermutete, das Telefonat würde die Sache für mich nicht leichter machen. »Los, Jamilla. Ich höre.«
»Okay«, sagte sie. »Ich habe mit einigen Pathologen aus anderen Orten gesprochen, wo die Blutsauger zugeschlagen haben. Ich glaube, wir sind auf etwas Wichtiges gestoßen. Zuerst in San Luis Obispo und dann in San Diego.«
Ich hörte zu. Jam hatte meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
»In beiden Städten haben sich die Gerichtsmediziner richtig in den Fall verbissen und haben versucht zu helfen. Wie Sie wissen, haben wir in San Luis Obispo exhumiert. Guy Millner, der Pathologe in San Diego, hat das auch getan. Ich will Sie jetzt nicht mit sämtlichen Details langweilen, aber ich kann sie Ihnen in Ihr Hotel übermitteln.«
»Das wäre großartig. Aber natürlich keine Faxe mit derartig brisantem Material.«
»Ich sage Ihnen jetzt, was wir herausgefunden haben. In beiden Mordfällen sind die Zahnabdrücke anders als in San Francisco oder Los Angeles. Es waren Abdrücke von menschlichen Zähnen, Alex. Die Mörder waren nicht identisch. Die Beweise sind ziemlich schlüssig.
Alex, wir haben es mit mindestens vier Mördern zu tun. Mindestens vier. Bis jetzt haben wir vier unterschiedliche menschliche Gebisse identifiziert.«
Ich bemühte mich angestrengt, Sinn in das zu bringen, was ich gerade gehört hatte. »Diese Leichen wurden exhumiert? Können menschliche Zähne auf Knochen Bissspuren hinterlassen?« »Ja, das haben die Pathologen bestätigt. Die Emaille auf menschlichen Zähnen ist die härteste Substanz im menschlichen Körper. Wie Sie wissen, könnten die Mörder Kappen getragen haben.« »Reißzähne. Fänge?«
»Genau. In San Diego wiesen die Spuren darauf hin, dass an
den Knochen genagt worden war. Unter anderem hat man deshalb so klare Abdrücke nehmen können.«
»Genagt!« Ich schüttelte mich.
»Sie sind der Psychologe, nicht ich. Nagen bedeutet starke, wiederholte, absichtliche Tätigkeit. Das Opfer war Mitte fünfzig. Laut meinen Quellen waren seine Knochen aufgrund von Osteoporose nicht mehr so fest. Daher die deutlichen Abdrükke. Aber weshalb hat man an seinen Knochen genagt? Können Sie mir das erklären?«
Ich dachte nach. »Wie wär's damit? In den Knochen ist das Mark. Und Mark enthält viele Blutgefäße.«
»Alex, das ist ekelhaft«, sagte Jamilla. »Aber das könnte der Grund sein. Einfach grauenvoll abstoßend.«
36
D ie Morde an den beiden Schauspielern lösten einen ungeheuren Medienrummel aus.
Plötzlich mussten wir hunderte von Hinweisen überprüfen, sehr viele davon blinder Alarm. Laut Zeugenaussagen hatte man Dara Grey und Andrew Cotton in nahezu jedem Club und Hotel in Las Vegas gesehen. Solche Informationen brauchten wir wie ein Loch im Kopf. Wir
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