Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
mit Captain Conte geredet. Ich dachte, das CID würde sich darum kümmern.«
»So ist es«, sagte ich. »Aber die Morde sind wohl etwas komplizierter, als es den Anschein hat. Genau wie die Kadetten hier in West Point.«
Ich berichtete Handler so präzise wie möglich von den anderen Mordfällen, in denen Sampson und ich ermittelten. Ich erzählte ihm nichts von der E-Mail vom Fußsoldaten, die uns zu ihm geführt hatte. Beim Sprechen fiel mir ein Professor in dem Raum neben Handlers auf. Er hatte einen Eimer mit Wasser und einen Schwamm und reinigte tatsächlich die Tafel vor der nächsten Stunde. Alle Unterrichtsräume hatten identische Eimer und Schwämme. Ein teuflisches System.
»Wir glauben, dass eine Verbindung zu einem besonders schlimmen Ereignis besteht, das sich in Vietnam ereignet hat«, sagte ich zu Professor Handler. »Vielleicht haben die Morde tatsächlich dort angefangen.«
»Ich habe in Südostasien gedient. Zweimal«, erzählte Handler bereitwillig. »Vietnam und Kambodscha.«
»Ich auch«, sagte Sampson, »auch zweimal.«
Plötzlich war Colonel Handler aus unbegreiflichem Grund nervös. Seine Augen verengten sich, und er blickte auf dem Gang hin und her. Die Kadetten waren inzwischen verschwunden, zweifellos waren sie zur Washington Hall zum Essen gestürmt.
»Ich spreche mit Ihnen«, sagte er. »Aber nicht hier auf dem Gelände. Holen Sie mich heute Abend in meiner Wohnung ab.
Quartier achtundneunzig. Wir gehen woanders hin. Kommen Sie pünktlich um acht Uhr.«
Professor Handler schaute Sampson und mich an, dann drehte er sich um und ging fort.
Im Eilschritt.
69
Ich hatte das Gefühl, dass wir hier in West Point etwas ungemein Wichtiges erfahren würden, vielleicht durch Colonel Handler. Ich hatte etwas Undefinierbares in seinen Augen gesehen, als das Thema auf Vietnam gekommen war. Vielleicht haben die Morde dort ihren Ursprung.
Der Colonel hatte in dem italienischen Restaurant »Il Cenacolo« in Newburgh einen Tisch reserviert. Er nannte es »außergewöhnlich deplaziert«. Wir waren auf dem Weg dorthin, auf dem Storm King Highway, einer sich windenden Achterbahn mit unglaublichen Ausblicken auf den Hudson, der tief unter uns dahinfloss.
»Warum wollten Sie nicht mit uns irgendwo näher bei Ihrem Haus sprechen?«, fragte ich den Colonel.
»Zwei meiner besten Freunde wurden dort vor kurzem ermordet«, antwortete Handler. Er steckte sich eine Zigarette an und blies den Rauch aus. Draußen war es stockdunkel, und die hügelige Straße hatte keine Straßenbeleuchtung.
»Glauben Sie, dass die Bennetts ermordet wurden?« fragte ich.
»Das weiß ich.«
»Und wissen Sie auch, weshalb?«
»Vielleicht. Sie haben doch von der blauen Mauer des Schweigens bei der Polizei gehört, in der Armee ist es genauso, nur die Mauer ist grau, höher und dicker und steht seit verdammt langer Zeit.«
Ich musste noch eine Frage stellen. Ich konnte sie nicht zurückhalten. »Sind Sie der Fußsoldat, Colonel? Wenn ja, brauchen wir Ihre Hilfe.«
Handler schien mich nicht zu verstehen. »Was, zum Teufel, soll der Fußsoldat sein? Wovon reden Sie?«
Ich berichtete ihm, dass mir eine mysteriöse Person ab und zu Informationen schickte, darunter auch seinen Namen. »Vielleicht hatten Sie geglaubt, es sei an der Zeit, dass wir uns Angesicht zu Angesicht träfen«, sagte ich.
»Nein, ich könnte vielleicht für Sie eine Quelle sein, aber nur wegen Bob und Barbara Bennett. Ich bin nicht der Fußsoldat und habe nie Kontakt mit Ihnen aufgenommen. Sie wollten mich sprechen, erinnern Sie sich?«
Er klang zwar sehr überzeugend, dennoch war ich nicht sicher, ob ich ihm glauben durfte. Ich musste die Identität von Fußsoldat herausbringen. Ich fragte Handler nach Namen, die mir bei diesen Ermittlungen helfen könnten. Er nannte einige Amerikaner, sogar etliche Südvietnamesen, die mir womöglich helfen könnten.
Handler sprach vom dunklen Rücksitz aus. »Ich habe keine Ahnung, wer mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat, aber ich bin nicht sicher, dass ich diesem Jemand trauen würde, ganz gleich, wer es ist. Im Augenblick traue ich nämlich niemandem.«
»Nicht mal sich selbst, Colonel?«
»Besonders nicht mir«, antwortete er und lachte. »Schließlich bin ich ein Professor, verdammt noch mal.«
Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und sah hinter uns Scheinwerfer, die schnell näher kamen. Bis jetzt war mir noch nicht viel Verkehr aufgefallen, und die meisten Wagen waren in der Gegenrichtung nach Süden
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