Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
widerstehen, zuzuschlagen. Der Schläger traf und schickte den Ball über den Kopf des Werfers, der ständig an Schnelligkeit und Höhe gewann. Er flog auch über den Kopf des Mittelspielers. Unsere Mannschaft von Missgeburten schrie und tobte vor Begeisterung. Endlich kam hier Freude auf.
Ich rannte wie ein Teufel von einer Base zur nächsten. Starkey warf mir einen finsteren Blick zu, als ich bei der zweiten Base an ihm vorbeipreschte. Es war, als wüsste er etwas. Wusste er wirklich etwas?
Ich schaffte es zur dritten und sah vor mir Sampson. Er winkte mich »nach Hause«. Ich schaute nicht aufs Außenfeld – ich lief weiter, ganz gleich, was sich dort tat.
Ich umrundete die dritte Base und steigerte das Tempo.
Wahrscheinlich hatte ich mich seit Jahren nicht mehr so schnell bewegt. Ich gab mein Letztes.
Brownley Harris wartete auf mich an der Home-Base – aber wo war der Ball? Ich bewegte mich wie ein führerloser Zug.
Da sah ich den Ball kommen. Verdammt, er würde mich vor der Home-Base schlagen. Verflucht!
Harris nahm den perfekten Wurf vom Mittelspieler auf. Eigentlich hatte er mich.
Aber ich rannte weiter auf ihn zu. Er versperrte mir mit seinem massiven Körper den Weg zur Home-Base. Ich wollte ihn Mann zu Mann nehmen und vom Ball trennen. Seine dunklen, von schweren Lidern beschatteten Augen bohrten sich in meine. Er war bereit für alles. Er sah aus, als hätte er auch Football gespielt, hart und fit. Armee-Ranger. Killer. Seine Augen wirkten bösartig.
Ich kam näher und senkte meine Schulter, um ihn zu rammen. Ich zeigte ihm, was ihm bevorstand.
Dann, im letzten möglichen Moment, wich ich aus und schlug einen Bogen um ihn. Mit der linken Hand berührte ich die Home-Base zwischen seinen dicken Beinen hindurch.
»Sicher!«, schrie der Schiedsrichter und breitete die Arme aus.
Als ich aufstand, sah ich aus dem Augenwinkel Harris. Er kam auf mich zu – schnell. Das konnte Ärger bedeuten. Kein Freundschaftsspiel mehr.
Sein rechter Arm fuhr in die Höhe, und er klatschte mir auf die Handfläche.
»Gutes Spiel«, sagte er. »Diesmal hast du uns erwischt, Partner. Bereite dich aufs nächste Mal vor. Verdammt, wir sind doch alle eigentlich im selben Team, richtig? S&S über alles.«
Du lieber Gott, er wirkte tatsächlich wie ein netter Kerl.
Für einen Killer.
83
»Für einen abgetakelten Bullen Anfang vierzig läufst du noch ziemlich gut«, sagte Sampson, als wir über einen staubigen Parkplatz gingen, auf dem hauptsächlich Trucks und Combis standen. Wir hatten vom Firmenpicknick genug gesehen. Nach unserer Darbietung der Rechtschaffenheit hatten wir das Softballspiel mit sieben Läufen verloren – und es hätte noch schlimmer kommen können.
»Wenigstens habe ich die Base geschafft«, sagte ich.
»Das hatte ich auch gar nicht anders von dir erwartet. Hat geklappt, richtig? Und sie waren stinksauer.«
»Wir haben das Spiel verloren.«
»Aber nicht den Krieg«, sagte Sampson.
»Das stimmt. Den Krieg nicht. Jedenfalls noch nicht.«
Ich fuhr vom Picknickplatz nach der Siedlung Falling River Walk und parkte direkt um die Ecke von Thomas Starkeys Haus. Das Haus war aus rotem Backstein mit weißen Fensterrahmen und schwarzen Fensterläden. Das Grundstück war ungefähr einen Morgen groß. Dort standen Rhododendron, Schierling und Berglorbeer. Alles war sehr gepflegt. Wir gingen an einem Riesenbeet gelber Chrysanthemen vorbei zur Seitentür.
»So geht’s von jetzt an weiter, oder?«, meinte Sampson. »Bei hellem Tageslicht einbrechen.«
»Wahrscheinlich wissen sie, wer wir sind, und auch, dass wir hinter ihnen her sind«, sagte ich.
»Wahrscheinlich. Ranger ist die Spitzeneinheit der leichten Infanterie in der Armee. Die meisten sind prima Burschen.
›Rangers, zeigt uns den Weg‹. Das ist ihr Motto seit dem Omaha-Strand, seit dem D-Day. Die Speerspitze.«
»Und was ist mit Vietnam?«, fragte ich.
»Da waren viele Ranger. Sie haben die echt schwierigen Erkundungsmissionen durchgeführt. Fünfundsiebzigste Infanterie. Modellsoldaten, die Besten. Jedenfalls die meisten. Wahrscheinlich hatten sie auch die besten Profikiller.«
Ich brauchte weniger als eine Minute, um durch die Seitentür ins Haus der Starkeys zu gelangen. Die Tür führte in den Raum für die Waschmaschine, wo es nach Bleiche und Waschpulver roch. Wir hörten keine Alarmanlage, aber das hieß nicht, dass wir beim Eindringen keine ausgelöst hatten.
»Könnten die drei immer noch in der Armee sein? Sonderauftrag?«,
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