Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
heimfahren.
Betrachten Sie das als eine freundliche Warnung. Wir sind keine schlechten Kerle. Wir tun nur unseren Job.«
»Und wenn wir nicht wegfahren?«, fragte Sampson. »Was, wenn wir die Ermittlungen hier in Rocky Mount weiterführen?
Sie haben einen Freund von mir umgebracht.«
Starkey faltete die Hände und schaute Harris und Griffin an.
Ich sah, dass den beiden der Sinn keineswegs nach einer freundlichen Warnung stand.
»Kommen Sie nie wieder in die Nähe unserer Häuser«, sagte Starkey. Seine Augen waren eiskalt und hart. Der Profikiller.
Wir sind keine schlechten Kerle. Wir sind sehr viel schlimmer.
Brownley Harris stieß sich von der Kühlerhaube des Suburban ab. »Habt ihr gehört, was der weiße Mann gesagt hat? Habt ihr beiden Nigger keine Ohren? Ihr solltet auf ihn hören. Und jetzt verpisst euch und kommt nie wieder her. Mit dieser Scheiße kommt ihr nicht ins Haus eines Weißen. Jedenfalls nicht in dieser Gegend, kapiert? Habt ihr Scheißnigger das verstanden?«
Ich lächelte. »Du bist der Hitzkopf. Gut zu wissen. Starkey ist der Anführer. Und wozu macht dich das, Griffin? Bist du nur der Muskelprotz?«
Warren Griffin lachte schallend. »Stimmt. Ich bin der reinste Muskelberg. Und die Artillerie. Ich fresse Typen wie euch zum Frühstück.«
Ich rührte keinen Muskel. Sampson ebenso wenig. Wir starrten die drei nur weiter an. »Eines würde ich gern wissen, Starkey. Woher wisst ihr über uns Bescheid? Wer hat es euch gesagt?«
Die Antwort traf mich ins Mark.
»Der Fußsoldat«, antwortete Colonel Thomas Starkey, grinste und tippte sich an die Baseballmütze.
85
Sampson und ich fuhren am späten Nachmittag auf der Interstate zurück nach Washington. Ich hatte die I-95 langsam satt.
Diese dahindonnernde Herde schwarze Abgase spuckender Brummis.
»Die Umstände könnten angenehmer sein, aber es ist schön, so viel Zeit mit dir zu verbringen«, sagte ich, als wir auf der Überholspur dahinfuhren. »Aber du bist zu still. Was ist los?
Liegt dir was im Magen?«
John schaute zu mir herüber. »Erinnerst du dich an die Zeit – wir waren ungefähr elf –, als ich zu euch kam und ein paar Wochen mit dir und Nana verbracht habe?«
»Ich erinnere mich, dass du oft bei uns warst«, sagte ich.
»Nana pflegte zu sagen, wir seien Brüder, nicht nur Blutsbrüder. Du warst doch immer bei uns.«
»Damals war es anders, Süßer. Ich weiß sogar, weshalb du dich nicht erinnerst. Ich will es dir sagen.«
»Na schön.«
»Weißt du, ich bin nach der Schule nie nach Hause gegangen, weil dort niemand war. An dem Tag bin ich erst gegen halb zehn heimgekommen. Ich habe mir Corned Beef und Püree zum Abendessen gemacht und mich vor die Glotze gesetzt.
Mission Impossible hat mir immer gut gefallen. Darauf habe ich die ganze Woche gewartet. Und dann hat’s an der Tür geklopft.
Ich bin hingegangen, und da stand Nana. Sie hat mich fest in die Arme genommen, so wie sie es jetzt auch noch macht, wenn wir uns sehen. Sie fragte mich, ob ich für sie auch etwas Corned-Beef-Püree hätte. Sie meinte, sie hätte gern ein Spiegelei darauf. Dann lachte sie. Du weißt schon, ihr berühmtes Kichern.«
»Daran erinnere ich mich überhaupt nicht. Warum ist sie so spät zu dir gekommen?«
Sampson fuhr mit seiner Geschichte fort. »Mein Vater saß in dem Jahr im Knast. Nicht ungewöhnlich. Am Nachmittag hatte man aber meine Mutter wegen Besitzes von Heroin festgenommen, das sie verkaufen wollte. Sie wurde verurteilt. Die Fürsorge kam vorbei, aber ich war nicht da. Jemand hat Nana-Mama angerufen.
Deshalb ist Nana herübergekommen, sie hat sogar ein bisschen von dem Zeug gegessen, das ich gekocht hatte. Sie meinte sogar, es schmecke ihr, und vielleicht würde ich eines Tages ein berühmter Chefkoch. Danach lud sie mich ein, eine Zeit lang bei euch zu wohnen. Sie erklärte mir auch, dass sie beim Jugendamt ihren Charme hatte spielen lassen. Damals hat Nana mich zum ersten Mal gerettet. Das erste Mal von vielen Gelegenheiten.«
Ich nickte und hörte weiter zu. Sampson war mit seiner Geschichte noch nicht zu Ende.
»Sie hat mir auch geholfen, nach der Highschool in die Armee zu kommen. Danach zur Polizeiakademie. Sie ist deine Großmutter, aber für mich ist sie mehr Mutter als meine eigene. Und ich hatte eigentlich nie einen Vater. Wir beide nicht.
Ich glaube, das hat uns von Anfang an zusammengeschmiedet.«
Es sah John überhaupt nicht ähnlich, so offen und so lange über sich zu sprechen. Ich sagte immer noch
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