Alex Cross - Cold
Sicherheitsbestimmungen.
»Meine Leibwache wird mir dieses Handy vermutlich in Kürze abnehmen, aber dann wird es zumindest der Agent, der am dichtesten in meiner Nähe ist, immer bei sich tragen«, sagte Coyle. »Sollte irgendjemand der hier Anwesenden eine Frage haben, die keinen Aufschub duldet und die Regina oder ich beantworten können, oder sollten Sie sonst irgendetwas über unsere Kinder in Erfahrung bringen, was wir wissen müssen, dann scheuen Sie sich nicht, diese Nummer zu wählen.«
Es war eine außergewöhnliche Geste, wie Mahoney sie bei keinem der bisherigen Präsidenten je erlebt hatte. Aber natürlich war es auch gegen sämtliche Vorschriften. Er fragte sich, ob, beziehungsweise wann seine Sicherheitsabteilung die Nummer einkassierte und ob der Präsident das überhaupt erfahren würde.
Doch für den Moment schien Direktor Burns es ganz nüchtern anzugehen. »Prägen Sie sich die Nummer gut ein«, sagte er in die Runde. »Es ist das erste und das letzte Mal, dass sie schriftlich irgendwo zu sehen ist.«
Dann machte er eine Handbewegung in Richtung des Präsidenten und der First Lady, und wieder war der ganze Saal auf den Beinen, während die ganze Prozession durch eine Glastür am Kopfende verschwand und den weiter hinten gelegenen kleinen Konferenzraum ansteuerte.
Die Stippvisite des Präsidentenehepaars hatte nur zwei Minuten gedauert, vielleicht nicht einmal das. Mahoney ließ den Auftritt in Gedanken noch einmal Revue passieren, betrachtete ihn aus einem etwas veränderten Blickwinkel.
Es gibt schließlich immer einen anderen Blickwinkel, oder etwa nicht? Dem äußeren Anschein nach waren die beiden hier aufgetaucht, um die Truppen zu motivieren und auf ihre Aufgabe einzuschwören. Das hatte zwar recht gut gewirkt, aber unter den gegebenen Umständen war es doch ein relativ fadenscheiniger Vorwand gewesen. Dieser Mann ließ die ganze Welt in seinem Büro aufmarschieren, buchstäblich, und zwar Tag für Tag. Aber, um es so vorsichtig wie nur irgend möglich auszudrücken: Dies war kein gewöhnlicher Tag. Wahrscheinlich hatte es noch nie zuvor so viele Sicherheitsmaßnahmen gegeben wie heute. Also warum hatte man den Präsidenten um diesen völlig überflüssigen Besuch gebeten? Warum ausgerechnet jetzt?
Die eine Hälfte der Antwort, die einfache Hälfte, lag auf der Hand. Irgendeiner von denen da oben hatte der Versammlung nicht alles gesagt, was er wusste. Das war ohnehin klar. Aber was? Inwiefern hatte die Situation sich verändert? Wusste die Chefetage womöglich schon, wer hinter der Entführung steckte?
Agent Mahoney hatte nie den Ehrgeiz besessen, seinen Namen an der Spitze irgendeiner FBI-Organisationspyramide zu sehen. Was jedoch weder seinen Verstand daran hinderte, unentwegt zu rotieren, noch seine Neugier daran hinderte, ihm ein Loch ins Gehirn zu brennen.
Also, was zum Teufel erzählte der Direktor in diesem Konferenzraum da hinten jetzt gerade dem Präsidenten und der First Lady?
16
»Sir, Madam. Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Direktor Burns und führte den Präsidenten und die First Lady an den langen Konferenztisch in der Mitte des Raums. Der stellvertretende Direktor, Peter Lindley, zog sämtliche Jalousien an Fenstern und Türen zu. Ein einziger Secret-Service-Agent bezog im Raum Stellung, der Rest der Karawane wartete draußen im Flur.
»Was ist los, Ron?«, sagte Edward Coyle und legte gleichzeitig die Hand auf die zitternden Finger seiner Frau. »Irgendwas ist passiert, das merke ich. Raus mit der Sprache, sofort. Das ist mein Ernst. Keine Politik, keine Spielchen. Heute nicht.«
Burns blieb stehen. »Als Erstes möchte ich betonen, dass wir Informationen aus unbekannten Quellen niemals hundertprozentig trauen können. Es könnte sich also durchaus um einen bewussten Versuch handeln, unsere Ermittlungen in eine falsche Richtung zu locken.«
»Ist ja gut, ist ja gut. Es reicht mit dem Geplänkel«, befahl der Präsident. »Raus damit. Bitte.«
Der Direktor nickte Lindley zu, und dieser stellte einen Aktenkoffer auf den Tisch. Er machte ihn auf und holte zwei versiegelte Indizienbeutel aus durchsichtigem Plastik heraus.
Kaum hatte Mrs. Coyle die kleine schwarze Lackschachtel im ersten Beutel gesehen, riss sie sie Lindley aus der Hand.
»Die gehört Zoe!«, sagte sie »Sie hat sie in Peking gekauft, im Sommer.«
Im anderen Beutel lag ein DIN-A4-Blatt. Es war jetzt ausgebreitet, aber man konnte die Falten noch deutlich sehen.
»Das ist heute Morgen per
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