Alex Cross - Cold
würde.
14
Es war Sonntagnachmittag, und das Strategie Information Operations Center wimmelte von düster dreinblickenden, gestressten Polizeimitarbeitern. Mehr ging beim besten Willen nicht. Im Hauptbesprechungsraum im vierten Stock des Hoover Building gab es nur noch Stehplätze.
Ned Mahoney verlagerte seinen Schwerpunkt ein wenig nach hinten, stand auf den Absätzen seiner schwarzen Stiefel und versuchte, alles zu erfassen, was um ihn herum vorging. Er spürte, wie die Erschöpfung seinen Körper immer mehr in Besitz nahm, doch sein Verstand lief auf Hochtouren. Höchstwahrscheinlich ging es allen anderen hier im Raum genauso. Dank der roten Zahlen auf der Digitaluhr an der Wand wusste jeder, dass Ethan und Zoe Coyle jetzt seit zweiundfünfzig Stunden und neunundzwanzig Minuten vermisst wurden.
Der FBI-Direktor persönlich, Ron Burns, hatte darauf bestanden, dass die Uhr dort aufgehängt wurde, unübersehbar, und so lange hängen blieb, bis sie die Kinder gefunden hatten. So oder so.
Auf etlichen großen Monitoren wurden Live-Bilder aus der Branaff School übertragen, andere zeigten Umgebungskarten von Washington in einem Radius von bis zu achtzig Kilometern. Auf manchen waren blinkende rote Fähnchen zu sehen, aber Mahoney wusste nicht genau, was sie zu bedeuten hatten. Das FBI erwies sich wieder einmal als geschmeidiger, gut geölter Krake, und jeder einzelne Krakenarm wusste nur das, was er unbedingt zu wissen brauchte.
Die Ankunft von Direktor Burns brachte die Versammlung zur Ordnung. Er hatte ein halbes Dutzend gestresst
wirkender Assistenten im Schlepptau. Er war noch nicht einmal vollständig zu der Seitentür im vorderen Teil des Saals eingetreten, da legte er bereits los.
»Also gut, ich will sofort die Berichte der einzelnen Abteilungsleiter hören«, sagte er. »Ist die Terrorismusbekämpfung schon da? Abteilung zwei?«
»Hier, Sir.« Terry Marshall, die Abteilungsleiterin, meldete sich und hastete nach vorn. Sie richtete eine kleine Fernbedienung auf die Monitorwand, und zu Mahoneys Erstaunen tauchten dort zwei grässliche Leichenbilder auf. Das waren die Opfer des Doppelselbstmords am Dulles Airport.
»Farouk und Rahma Al Zahrani«, sagte Marshall. »Beides saudi-arabische Staatsangehörige, beide mit einem Studienabschluss von der University of California in Los Angeles. Er war Dozent an der Physik-Fakultät an der König-Saud-Universität, sie hat für eine kleine Import-Export-Firma in Riad gearbeitet. Keine kriminelle Vorgeschichte, keine Verbindung zu kriminellen oder terroristischen Organisationen, keine Zweitnamen, soweit wir wissen.
Wir haben sämtliche Listen mit allen potenziell gefährlichen Personen durchgesehen, ich wiederhole, sämtliche , und sie sind nirgendwo verzeichnet. Das Gleiche gilt für alle anderen Passagiere auf diesem Flug.«
»Ja und?« Burns war noch keine halbe Minute im Raum, schon wurde er ungeduldig und fordernd. Unter den Mitarbeitern war er berühmt für seinen Satz: »Wenn Sie am Samstag nicht arbeiten wollen, dann können Sie am Sonntag gleich ganz zu Hause bleiben.«
»Zunächst einmal ist zwischen diesen beiden Vorfällen kein Zusammenhang erkennbar«, machte Marshall weiter. »Aber der Zeitpunkt ist doch zumindest verdächtig. Die Al Zahranis sind am Donnerstagnachmittag gelandet, ungefähr
achtzehn Stunden vor Zoes und Ethans Verschwinden. Da sich bis jetzt niemand im Zusammenhang mit der Entführung gemeldet hat, genauso wenig wie im Zusammenhang mit den Al Zahranis im Übrigen, können wir es uns nicht erlauben, eine Verbindung zwischen diesen beiden Ereignissen auszuschließen.«
In den folgenden Sekunden war es still im Saal. Das war genau das Problem. Die Stille. Diese tödliche Stille, seitdem die Vierundzwanzigstundenmarke überschritten war.
»Okay, was noch?«, wollte Burns wissen. »Wie weit sind wir mit dem Fahrer dieses Lieferwagens?«
Matt Salvorsen von der FBI-Außenstelle in D. C. nahm Marshalls Platz am vorderen Ende des Saals ein.
»Bis jetzt ist seine Geschichte stimmig«, sagte er. Er ließ das Bild eines Führerscheins auf den Monitoren erscheinen, der in Maryland auf den Namen Ray Pinkney ausgestellt worden war. Das Bild darauf war das des Lieferwagenfahrers.
»Wir haben uns seinen Computer angeschaut. Er hat tatsächlich über ein Chatprogramm eine Nachricht von diesem GutN8GutN8 bekommen. Die Kontaktaufnahme ist vier Tage vor der Entführung erfolgt.«
»So was könnte sogar meine zehnjährige Enkelin
Weitere Kostenlose Bücher