Alex Rider 4/Eagle Strike
Offensichtlich hatte Cray einen entscheidenden Fehler gemacht: Da es buchstäblich unmöglich war, auf das Gelände zu gelangen, hatte Cray auf Sicherheitsvorkehrungen innerhalb des Zauns keinen großen Wert gelegt. Alex sah keine einzige Überwachungskamera, und die Posten auf den Wachtürmen schienen sich eher auf den Zaun und die Umgebung draußen zu konzentrieren als auf das Betriebsgelände. Im Moment konnte sich Alex also verhältnismäßig sicher fühlen.
Er folgte Cray in angemessenem Abstand in das würfelförmige Glasgebäude. Alex ging rasch durch den völlig menschenleeren Eingangsbereich, dessen Boden mit weißem Marmor ausgelegt war. Über sich sah er den Nachthimmel, und in der Ferne waren sogar die drei Windrotoren zu erkennen. Verwirrt blieb er stehen: Der Glaswürfel war völlig leer; wohin also war Cray verschwunden? Dann entdeckte er in einer Ecke ein kreisrundes Loch im Bode n – der Eingang einer Wendeltreppe, die nach unten führte.
Als er näher heranschlich, hörte er Stimmen.
Vorsichtig stieg er die Stufen hinunter und gelangte in ein geräumiges Untergeschoss. Auf der letzten Stufe kauerte er sich nieder und verbarg sich hinter dem weißen Treppengeländer. Von hier aus beobachtete er seine Umgebung.
Vor ihm lag ein riesiger, offener Raum. Auch hier war der Boden mit weißem Marmor ausgelegt. Sternförmig führten mehrere Korridore in alle Richtungen. Es war eine Architektur, die an das Untergeschoss einer ultramodernen Bank erinnerte. Aber die kostbaren Teppiche, der riesige Kamin, die italienischen Möbel und der blendend weiße Bechsteinflügel hätten ebenso gut aus einem Palast stammen können. Auf einer Seite stand ein geschwungener Schreibtisch mit mehreren Telefonen und Computerbildschirmen. Alle Leuchtkörper waren knapp über dem Fußboden angebracht, sodass alle Gegenstände riesige, verzerrte Schatten nach oben warfen und der Raum bizarr und beunruhigend wirkte. Eine Wand wurde fast völlig von einem gigantischen Porträt Damian Crays bedeckt, ein Gemälde, auf dem er einen weißen Pudel auf dem Arm hielt.
Der echte Cray saß auf dem Sofa und nippte an einem blassgelben Getränk, in dem sich eine Kirsche an einem Cocktailspieß befand. Cray aß die Kirsche und zeigte dabei seine perfekt weißen Zähne. Die drei Männer, die Alex auf dem Platz gesehen hatte, waren bei ihm. Und jetzt fand Alex die Bestätigung für das, was er schon lange gewusst hatt e – dass Cray wie eine Spinne im Zentrum eines großen Netzes saß.
Denn einer der Männer war Yassen Gregorovich. Er trug Jeans und einen Rollkragenpullover und saß mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Klavierstuhl. Der zweite Mann stand gegen den Flügel gelehnt. Er war schon älter, hatte silbergraues Haar und ein von Pockennarben übersätes, fleischig-schlaffes Gesicht. Er trug einen blauen Blazer mit gestreifter Krawatte und wirkte so unauffällig, dass er ebenso gut ein Angestellter irgendeiner Bank oder Angehöriger eines Kricketclubs hätte sein können. Die unteren Ränder seiner riesigen Brille versanken in den fleischigen Wangen, als seien diese aus teigigem Lehm. Hinter seinen dicken Brillengläsern flackerte ein nervöser Blick. Immer wieder blinzelte er. Der dritte Mann dagegen sah gut aus; er mochte ungefähr Ende vierzig sein, hatte schwarzes Haar, ernste graue Augen, ein eckiges Kinn und eine dunkle Gesichtsfarbe. Er trug Freizeitkleidun g – eine Lederjacke und ein am Kragen offenes Hemd. Offenbar genoss er die Szene, die sich hier abspielte.
Cray sprach gerade mit ihm. »Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, M r Roper. Ihnen ist es zu verdanken, dass Eagle Strike jetzt wie geplant anlaufen kann.«
Roper! Das war der Mann, den Cray in Paris getroffen hatte. Alex hatte plötzlich das Gefühl, dass sich der Kreis gerade schloss. Mit äußerster Konzentration verfolgte er das weitere Gespräch.
»Ach wa s – nennen Sie mich doch einfach Charlie.« Roper hatte einen starken amerikanischen Akzent. »Sie brauchen sich nicht zu bedanken, Damian. Hat mir Spaß gemacht, mit Ihnen ins Geschäft zu kommen.«
»Ich habe noch ein paar Fragen«, murmelte Cray, und Alex bemerkte, dass er einen Gegenstand von dem Beistelltischchen neben dem Sofa nahm. Er sah aus wie ein Handy. »Soweit ich weiß, werden die Gold-Codes jeden Tag geändert. Vermutlich ist der Flash Drive gegenwärtig mit dem heutigen Code programmiert? Wenn nun aber Eagle Strike, sagen wir mal, erst in zwei Tagen stattfinden sollt e
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