Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
tut mir wirklich leid, Sir. Und ich bin Ihnen dankbar, wie Sie mir in diesem Sommer geholfen haben. Aber Sie brauchen sich meinetwegen keine Sorgen zu machen. Ich schaff das schon.«
M r Grey hätte noch eine Menge zu sagen gehabt, aber er ließ es sein. Er hatte Alex in ihren vielen gemeinsamen Stunden gut kennengelernt und mochte ihn sehr. Und er wusste, dass Alex ganz anders war als alle anderen. Dass Alex Heimweh hatte, glaubte er keine Sekunde. Er glaubte auch nicht, dass er auf dem Weg nach England war. Aber manchmal war es besser, keine Fragen zu stellen.
»Viel Glück, Alex. Pass auf dich auf.«
»Danke, Sir.«
Den anderen Schülern hatte man erzählt, Alex sei schon abgereist. Nur Tom wusste, dass sein Freund gelogen hatte. Sie hatten im Hotel ein Zimmer geteilt, und Alex’ Reisepass lag noch auf dem Nachttisch. Tom steckte ihn vorsichtshalber ein. Er hatte Alex die Adresse seines Bruders in Neapel gegeben. Es gab immer noch die Möglichkeit, dass er dort plötzlich auftaucht e …
Die Landschaft sauste vorbei, so uninteressant, wie nahezu jede Gegend wird, wenn man sie durch völlig verschmierte Zugfenster betrachtet. Tom hatte sich vorm Hotel von den anderen verabschiedet. Sie flogen nach England zurück. Er hatte eine Fahrkarte nach Neapel, wo sein Bruder ihn am Bahnhof abholen wollte. Bis dahin blieben ihm noch ungefähr sechs Stunden. Er hatte einen Gameboy im Rucksack, und ein Buch, Der goldene Kompass von Philip Pullman. Tom las nicht gern, aber man hatte allen in seiner Klasse aufgetragen, in den Sommerferien mindestens einen Roman zu lesen. Jetzt waren es nur noch wenige Tage bis zum Beginn des neuen Schuljahrs, und er hatte es gerade bis Seite sieben geschafft.
Er fragte sich, was mit Alex passiert war, und warum Alex überhaupt in diesen Witwenpalast hatte eindringen wollen.
Die beiden Jungen kannten sich jetzt seit etwa zwei Jahren. Tom, der sehr viel kleiner war als alle anderen in seiner Klasse, war gerade verprügelt worden. Eine Gruppe Sechzehnjähriger, angeführt von Michael Cook, hatte ihm sein Essensgeld abnehmen wollen, um Zigaretten kaufen zu können. Tom hatte sich geweigert, und kurz darauf hatte Alex ihn gefunden: Da saß er auf dem Bürgersteig, sammelte seine zerrissenen Bücher auf und wischte sich das Blut von der Nase.
»Alles klar?«
»Ja. Die haben mir die Nase gebrochen. Die haben mir mein Essensgeld abgenommen. Und sie haben gesagt, morgen machen sie das wieder. Aber sonst geht’s mir gut.«
»Mike Cook?«
»Ja.«
»Vielleicht sollte ich mal mit ihm reden.«
»Wie kommst du darauf, dass das was nützen könnte?«
»Weil ich ein guter Redner bin.«
Am nächsten Tag hatte Alex den Schläger und zwei seiner Freunde hinterm Fahrradschuppen zur Rede gestellt. Die Sache war schnell über die Bühne gegangen, und seither hatte Michael Cook niemals mehr irgendwen belästigt. Auffällig war, dass er noch eine ganze Woche danach humpelte und mit seltsam hoher Stimme sprach.
Das war der Beginn einer engen Freundschaft. Tom und Alex wohnten nicht weit voneinander entfernt und fuhren oft zusammen mit dem Fahrrad nach Hause. Und sie machten gemeinsam Spor t – Tom war zwar nicht sehr groß gewachsen, aber außerordentlich schnell auf den Beinen. Als seine Eltern anfingen, von Scheidung zu reden, war Alex der Einzige, dem er davon erzählte.
Dafür wusste auch Tom mehr von Alex als alle anderen in der Brookland-Schule. Er hatte ihn mehrmals zu Hause besucht und dabei Jack kennengelernt, die immer gut gelaunte rothaarige Amerikanerin, die zwar nicht direkt sein Kindermädchen oder seine Haushälterin war, aber sich doch irgendwie um ihn zu kümmern schien. Alex hatte keine Eltern. Jeder wusste, dass er bei seinem Onkel gewohnt hatt e – offenbar ein ziemlich reicher Mann, wenn man sich das Haus so ansah. Aber der war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Als sich das in der Schule herumsprach, war Tom ein paarmal zu dem Haus gegangen, um mit Alex zu reden, hatte ihn dort aber nie getroffen.
Angefangen hatte alles im Winterhalbjahr, als Alex zum ersten Mal lange in der Schule gefehlt und noch jeder geglaubt hatte, der Tod seines Onkels habe ihn so sehr mitgenommen. Aber im Sommer war er dann schon wieder verschwunden. Und dafür gab es keine Erklärung. Niemand schien zu wissen, wo er steckte. Und als er dann endlich wieder auftauchte, war Tom überrascht, wie sehr sein Freund sich verändert hatte. Tom fielen die Narben auf, die Alex von seinen Verletzungen
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