Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
das presste sich ihm auf Lippen und Nase. Eiskalt und stinkend. Gott! Was für ein Tod. Mit dem Bauch war er durch die Öffnung, aber nun hing er an den Hüften fest. Er wand sich wie eine Schlange, und dann hatte er es endlich geschafft.
Und schon ging ihm die Luft aus. Er wollte kehrtmachen, erkannte aber voller Panik, dass er in einem Rohr steckte, das ihm nur die Möglichkeit ließ, sich weiter nach unten zu schieben. Seine Schultern rammten festes Mauerwerk. Als er ein Bein nach hinten stieß, traf er auf Stein, und ein stechender Schmerz fuhr ihm in den Fuß. Die reißende Strömung spülte ihm um Gesicht und Hal s – wie Seile aus Wasser, die ihn für immer an diesen schwarzen Tod fesseln wollten. Erst jetzt, da es kein Entrinnen mehr gab, ging ihm der ganze Horror seiner Lage auf. Ein Erwachsener hätte es niemals so weit geschafft. Nur weil er kleiner war, hatte er sich in diesen Brunnenschacht oder was das auch immer war zwängen können. Aber er hatte keinen Bewegungsspielraum. Die Mauern berührten ihn an allen Seiten. Wenn die Röhre nur noch ein wenig enger würde, war es aus.
Er schob sich weiter in die Tiefe. Tastete mit den Händen voraus, stets voller Panik, auf ein Metallgitter zu stoßen, das sein sicheres Ende bedeuten würde. Seine Lungen spannten sich, der Druck hämmerte an seine Brust. Er versuchte seine Panik zu unterdrücken, denn sonst würde er seine Luft nur noch schneller verbrauchen, aber sein Gehirn wollte etwas ganz anderes, es schrie, dass er aufhören sollte, dass er atmen sollte, dass er aufgeben und sich in sein Schicksal fügen sollte. Immer weiter, abwärts in die Tiefe. Normalerweise konnte er zwei Minuten lang die Luft anhalten. Und seit er sich in das Loch gestürzt hatte, war höchstens eine Minute vergangen. Nicht aufgeben! Einfach immer weiter schwimme n …
Inzwischen musste er zehn oder fünfzehn Meter tief unter dem Kellerboden sein. Plötzlich stießen seine Finger vorne an Mauerwerk. Als er vor Schreck aufstöhnte, entwichen ein paar kostbare Luftblasen aus seinem Mund und strudelten an seinem Körper aufwärts und an seinen zappelnden Beinen vorbei. Als Erstes dachte er, er sei in eine Sackgasse geraten, und öffnete kurz die Augen, doch das half ihm nicht weiter, um ihn herum war es immer noch stockfinster. Sein Herz schien nicht mehr zu schlagen. In diesen Sekunden ahnte Alex, wie es sein musste zu sterben.
Dann aber ertastete seine andere Hand eine Biegung in der Wand, und das konnte nur heißen, dass der Brunnenschacht hier einen Knick hatte. Vielleicht war das die Stelle, an der der Schacht in den Kanal mündete. Aber jetzt wurde es noch enger. Als ob das strömende Wasser nicht schon reichte, fühlte Alex sich jetzt rundum von Steinen umschlossen, an denen er sich Brust und Beine aufschabte. Er hatte kaum noch Luft. Seine Lungen waren zum Zerreißen gespannt, und in seinem Kopf breitete sich eine gähnende Leere aus. Er war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, und in seiner jetzigen Verfassung wäre das wahrscheinlich ein Segen für ihn gewesen. Dann würde er vielleicht nicht mehr mitbekommen, wie ihm das Wasser durch den Mund in die Lungen strömte. Dann würde er sterben, ohne es zu merken.
Er schob sich mit dem Oberkörper um die Biegung. Seine Hände berührten etwa s – ein Gitter, an dem er sich festhalten und die Beine nachziehen konnte. Und dann wurde ihm klar, dass seine schlimmsten Befürchtungen eingetroffen waren. Er hatte das Ende des Brunnenschachts erreicht, aber das war mit einem kreisrunden Eisengitter abgesperrt. Er klammerte sich mit beiden Händen daran. Es war eingemauert.
Vielleicht war es das Gefühl, so weit gekommen und am Ende doch noch betrogen worden zu sein, das ihm Kraft gab. Jedenfalls stieß Alex zu, und die Metallverankerung, geschwächt vom Rost der letzten dreihundert Jahre, gab krachend nach. Das Gitter löste sich. Alex schwamm durch die Öffnung, und als er einmal mit den Schultern hindurch war, wusste er, dass er nur noch Wasser über sich hatte. Er stieß sich mit den Füßen ab und spürte, wie ihm ein abgebrochener Gitterstab den Oberschenkel aufritzte. Aber er empfand keinen Schmerz. Nur noch den verzweifelten Wunsch, endlich an die Luft zu kommen.
Er blickte nach oben. Zu sehen war nichts, aber er wusste, dass der Auftrieb ihn nur nach oben bringen konnte. Luftblasen strichen kitzelnd an seinen Wangen und Lidern entlang, als er die letzte Luft aus seinen Lungen presste. Wie tief unten mochte er sein?
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