Alex Rider 6: Ark Angel
könnte doch irgendwie die Flucht gelingen? Das war doch unlogisch. Aber darüber konnte er jetzt nicht nachdenken. Er saß noch immer in einem brennenden Gebäude fest, und die Zeit lief ihm davon. Atmen war kaum noch möglich. Er schaute in den Korridor. Ein Flammeninferno. Da kam er nicht durch. Nach unten ging es auch nicht. Also blieb nur die Flucht nach oben.
Erschöpft machte Alex sich an den Aufstieg. Gerade noch rechtzeitig gelangte er in den zweiten Stock. Während er ohne anzuhalten weiter nach oben stieg, brach unter ihm ein Teil der Decke ein, und Flammen schossen empor. Metall und Glas und brennendes Holz explodierten um ihn herum. Das Feuer hatte die Treppe erreicht: Nach unten führte jetzt kein Weg mehr. Er musste versuchen, aufs Dach zu kommen. Vielleichthatte er Glück, und Feuerwehr und Polizei waren schon unterwegs. Vielleicht mit Hubschraubern.
Alex kletterte weiter. Seine Hände waren schwarz; Tränen strömten ihm übers Gesicht.
Aber er gab nicht auf. Schlimmstenfalls würde er wenigstens an der frischen Luft sterben. Von dem Feuer hier drin würde er sich nicht erledigen lassen.
Die Stufen zählte er jetzt nicht mehr. Seine Beine taten weh, der Verband um seine Brust hatte sich gelockert. Er lief an der Tür zur achten Etage vorbei, und seine Verzweiflung wurde immer größer. Hier hatte er angefangen. Er zwang sich weiter: neunter Stock, zehnter ... elfter ... zwölfter ... Er spürte die Flammen, die ihn vor sich herjagten, sie loderten im ganzen Treppenhaus und leckten an seinen Füßen. Es war, als wollte ihn das Feuer auf keinen Fall entkommen lassen. Endlich kam er an eine massive Stahltür. Voller Angst, sie könnte abgeschlossen sein, drückte er mit beiden Händen den Verschlussriegel nieder. Die Tür schwang auf. Kühle Abendluft begrüßte ihn. Die Sonne war schon untergegangen, aber der Himmel leuchtete noch in strahlendem Rot – er hatte dieselbe Farbe wie die Flammen, die ihn nur allzu bald erreichen mussten.
Alex konnte nicht mehr. Er hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen. Eigentlich müsste er das Bett hüten. Vor lauter Erschöpfung wäre er am liebsten in Tränen ausgebrochen, aber stattdessen fluchte er nur einmal kräftig. Dann fuhr er sich mit seinem schmutzigen Ärmel übers Gesicht und sah sich um.
Er war auf dem Dach, fünfzehn Stockwerke über dem Erdboden. Vor ihm stand ein Wassertank, daneben das gemauerteGehäuse für die Fahrstuhlkabel. Nun, beides würde ihm nicht weiterhelfen, denn die Aufzüge funktionierten nicht mehr, und Wasser war vermutlich auch keins mehr da. Irgendwann hatten hier oben Bauarbeiter zu tun gehabt und einiges zurückgelassen: Gerüstmaterial, Plastikrohre, einen Betonmischer und zwei Eimer, beide halb mit Zement gefüllt, der längst getrocknet war. Alex lief an den Rand des Daches und suchte nach der Feuerleiter. Der Asphalt unter seinen Fußsohlen war schon ganz heiß. Bald würde er schmelzen.
Es gab keine Feuerleiter. Keinen Weg nach unten. Die Straße war vollkommen leer. Keine Autos. Keine Fußgänger. Offenbar war er in einem Industriegebiet, irgendwo im Osten von London. Die ganze Gegend sah aus wie abgesperrt, als warte sie auf einen Geldsegen, der die Sanierung ermöglichen würde. Das Gebäude gegenüber war identisch mit dem, auf dem er sich befand, und ähnlich verfallen. Es war keine fünfzig Meter entfernt, und zwischen den beiden Häusern war das Transparent gespannt, das Alex gesehen hatte, als er am Morgen aufgewacht war.
Wäre er ein Jahr später hier gelandet, könnte er jetzt wahrscheinlich die Aussicht vom Balkon einer luxuriösen Penthouse-Wohnung genießen. Alex orientierte sich. Unten floss die Themse. In einer Biegung des Flusses stand, unerwünscht und ungeliebt, der Millennium Dome. Ein Flugzeug war imLandeanflug auf den City Airport. Alex hob einen Arm und winkte, erkannte aber sofort, wie sinnlos das war. Das Flugzeug war zu weit weg. Außerdem war es schon zu dunkel. Und der Rauch war viel zu dicht.
Er lief zu der Tür zurück. Vielleicht waren die oberen Korridore noch passierbar. Vielleicht konnte er auf die andere Seite des Gebäudes gelangen. Er zog die Tür vorsichtig auf. Boxer war ihm bestimmt nicht den ganzen Weg nach oben gefolgt, aber er wollte nichts riskieren. Kaum war die Tür geöffnet, wusste er, dass Boxer das kleinste seiner Probleme war.
Eine Flamme schlug wie eine Faust nach ihm. Das Inferno war bis ganz nach oben gekommen.
Im selben Augenblick gab es eine
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