Alex Rider 6: Ark Angel
überquerten. Das Schloss sah unwirklich aus. Wie aus einem Märchen. Warum hatte man es wohl ausgerechnet hier errichtet? Alex wunderte sich, dass er noch nie etwas davon gehört oder Bilder davon gesehen hatte.
Und er wünschte sich, Jack Starbright wäre doch mitgekommen.
Während der Taxifahrt vom Waterfront Hotel nach Hause hatte sie einen unruhigen und sehr nachdenklichen Eindruck gemacht, aber erst später am Abend gab sie ihre Entscheidung bekannt.
»Ich würde gern mit dir kommen, Alex«, sagte sie. »Und ich wäre gern beim Start dieser Rakete dabei. Aber es geht nicht. Ich habe meine Eltern seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen, und ich muss unbedingt mal wieder nach Hause, nach Washington. Nächste Woche feiern sie ihren Hochzeitstag, und das wäre eine gute Gelegenheit, mal etwas Urlaub zu machen. Dir kann nichts passieren, und man wird sich gut um dich kümmern. Und du hast Paul Drevin. Er ist in deinem Alter, und da werdet ihr mich gar nicht in eurer Nähe haben wollen. Also mach dir eine schöne Zeit. Pass nur auf, dass du nicht wieder in Schwierigkeiten gerätst. Ruh dich aus, wie der Arzt es dir geraten hat.«
Nikolei Drevin hatte einen livrierten Chauffeur geschickt, der Alex abholen sollte – diesmal in einem Rolls-Royce, einem mattblauen Corniche mit Klappverdeck. Nachdem sie aus London heraus waren, waren sie der M40 gefolgt; die Limousinemit ihren acht Zylindern war so selbstverständlich an allen anderen Autos vorbeigeglitten, als wäre die Überholspur exklusiv für sie gebaut worden. Jetzt verschwand der Wagen gerade hinterm Haus und Alex stand Paul Drevin gegenüber.
Als Alex ihn das letzte Mal gesehen hatte, war Paul mit Schlafanzug und Morgenmantel bekleidet gewesen. Jetzt trug er Jeans und einen weiten Pullover. Er sah viel gesünder aus als im Krankenhaus – aber nicht nur das. Er wirkte auch selbstsicherer. Das hier war sein Zuhause, sein Reich, und eines Tages würde er es erben. Wahrscheinlich war er schon jetzt Multimillionär. Sein wöchentliches Taschengeld wurde bestimmt von einem gepanzerten Geldtransporter angekarrt. Plötzlich fragte sich Alex, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, hierherzukommen.
»Tolles Haus«, sagte er, als sie zur Eingangstür gingen. Der Kies knirschte unter ihren Füßen.
»Mein Vater hat es hier aufbauen lassen. Früher stand dieses Schloss irgendwo in Schottland. Es war schon ziemlich verfallen, und da hat er es gekauft und Stein für Stein hierherbringen und wieder zusammensetzen lassen. Komm, ich zeig dir dein Zimmer.«
Alex folgte ihm in die Eingangshalle; der Boden bestand aus großen Steinplatten, an den Wänden hingen Wandteppiche, und an einer Seite war ein so großer Kamin, dass man einen ganzen Baum hätte darin verbrennen können.
Als sie die majestätische Treppe hinaufgingen, kamen sie an Gemälden von Picasso, Warhol, Hockney und Lucian Freud vorbei. Nikolei Drevin war offenbar ein großer Liebhaber moderner Kunst.
»Das war unglaublich, was du im Krankenhaus getanhast«, sagte Paul. »Wolltest du wirklich mit mir die Rollen tauschen?«
»Na ja, das hat sich halt so ergeben ...«
»Wenn diese Männer mich entführt hätten, hätten sie mir mit Sicherheit einen Finger abgehackt!«, sagte Paul schaudernd. »Die haben dich meinetwegen beinahe getötet. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Du brauchst nichts zu sagen.«
»Bin jedenfalls froh, dass du gekommen bist.«
Alex zuckte die Schultern. »Dein Vater hat es mir schwer gemacht, Nein zu sagen.«
»Ja. So ist er nun mal.« Sie waren oben an der Treppe angelangt. Paul zog einen Inhalator aus der Hosentasche, setzte ihn an die Lippen und holte zweimal tief Luft. »Ich habe Asthma«, erklärte er überflüssigerweise. »Komm, hier entlang ...« Sie schritten durch einen Korridor, von dem in regelmäßigen Abständen geschnitzte Holztüren abgingen. »Wir haben dreißig Schlafzimmer«, erzählte Paul. »Viel zu viele, die sind nie alle belegt. Hier ist dein Zimmer, es liegt direkt neben meinem.«
Der Chauffeur musste einen anderen Eingang benutzt haben, denn Alex’ Gepäck lag bereits auf dem Bett. Das Zimmer mit Aussicht auf den See war perfekt ausgestattet. Alex betrachtete den Plasmafernseher an der Wand, die Konsole mit DVD-Player, Videorekorder und Playstation, das Telefon mit Direktverbindungen zum Personal, das Regal mit Büchern – alle erkennbar neu gekauft –, das Badezimmer mit Wanne, Dusche und Whirlpool. Drevin hatte ihm Luxus pur
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