Alex Rider 6: Ark Angel
versprochen und er hatte Wort gehalten.
»Was willst du jetzt machen?«, fragte Paul.
»Schlag was vor.«
»Wenn du magst, können wir reiten gehen. Oder schwimmen. Es gibt hier zwei Pools, einen drinnen und einen draußen. Danach könnten wir uns einen Film ansehen. Wir haben unser eigenes Kino, und Dad bekommt immer die neuesten Sachen. Wir könnten auch Tennis oder Golf spielen oder auf Tontauben schießen. Oder wir gehen zum See und fahren Jet- Ski oder segeln oder angeln, was du willst. Unsere einzige Verpflichtung ist das Dinner mit Dad heute Abend. Also sag, womit fangen wir an?«
Alex konnte sich nicht entscheiden. »Ist mir egal.«
»Gut, dann zeige ich dir das Haus, und danach nehmen wir uns jeder ein Quad-Bike und drehen eine Runde auf dem Grundstück. Das ist ungefähr achtzig Hektar groß. Hast du Hunger?«
»Nein. Vielen Dank.«
»Dann los.«
»Okay.« Alex versuchte enthusiastisch zu klingen, aber irgendwie gelang ihm das nicht.
Paul schien das zu verstehen. »Das alles hier muss dir ziemlich unheimlich sein«, sagte er entgegenkommend. »Du kennst mich nicht, und wahrscheinlich magst du mich auch nicht wirklich. Die meisten mögen mich nicht. Die halten mich für einen verwöhnten reichen Bengel, und falls überhaupt mal jemand zu Besuch kommt, dann nur, weil er hier alles umsonst haben kann. Mein Vater hat dich eingeladen, weil er dir dankbar ist für das, was du im Krankenhaus getan hast. Aber nicht nur deswegen. Er hofft, dass wir Freunde werden. Das ist nämlich das Einzige, was er mit seinem Geld nicht kaufen kann. Freundschaft. Aber ich kann verstehen, wenn du amliebsten deine Sachen nehmen und wieder von hier verschwinden würdest. Mir geht es manchmal auch so.«
Alex dachte kurz nach. »Nein«, sagte er. »Es ist gut, dass ich hier bin. Zur Schule darf ich noch nicht, und ich soll mich ein paar Wochen ausruhen. Und ehrlich gesagt, ich wüsste nicht, wo ich sonst hingehen könnte. Wenn also dein Vater mich wie einen Multimillionär behandeln will, werde ich mich nicht beklagen.«
»Okay.« Paul lächelte erleichtert. »Am Sonntag fliegen wir nach New York, das wird bestimmt cool. Und dann geht’s weiter zur Flamingo Bay. Warst du schon mal Kitesurfen?«
Alex schüttelte den Kopf.
»Ich kann es dir beibringen. Wir sind auf der Atlantikseite, da gibt es riesige Wellen.« Paul war jetzt lebhafter geworden, und Alex fand ihn allmählich sympathischer. »Fangen wir mit dem Kino an«, sagte er. »Und dann weiter von oben nach unten ...«
N ach zwei Stunden waren sie noch längst nicht fertig. Alex hatte mehr Reichtum gesehen, als er sich jemals hätte vorstellen können. Wahrscheinlich gab es nur eine Handvoll Menschen auf der Welt, die über ähnliche Mittel verfügten wie Nikolei Drevin. Er konnte alles haben, was er wollte – angefangen bei der mittelalterlichen Rüstung vor dem Speisesaal bis hin zu den beiden Polaris-MSX-Jet-Skis draußen auf dem See. Alex hatte auch ein wenig mehr über Paul erfahren. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er sechs Jahre alt war, und seine Mutter lebte jetzt in Amerika. Er sah sie drei- bis viermal im Jahr, aber sie und sein Vater sprachen kein Wort mehr miteinander. Früher hatte Paul eine normale Schule besucht,aber dann waren die Sicherheitsprobleme immer größer geworden, und inzwischen wurde er ausschließlich von Privatlehrern unterrichtet.
Um fünf ging Alex in sein Zimmer und schlief eine Stunde, dann duschte er und zog sich zum Abendessen um. Er hatte den großen Speisesaal mit den Kronleuchtern und dem alten Eichentisch gesehen, an dem zwanzig Personen Platz finden konnten – und erfuhr nun zu seiner Erleichterung, dass sie im Wintergarten neben der Küche essen würden. Das war ein schöner Raum mit Marmorsäulen, italienischen Bodenfliesen und exotischen Pflanzen in riesigen Terrakottatöpfen. Nikolei Drevin erwartete ihn bereits.
»Komm bitte herein, Alex. Setz dich.« Drevin winkte ihn zu sich. »Kann ich dir ein Glas Wein anbieten? Oder vielleicht ein Bier?«
»Am liebsten Wasser«, antwortete Alex.
»In Russland trinken auch die Kinder Alkohol.«
Die Tür ging auf und eine junge Frau brachte ein Tablett mit dem ersten Gang herein: Honigmelone und Serrano-Schinken. Alex hatte keine Ahnung, wie viele Leute auf Neverglade beschäftigt waren; die Dienstboten beherrschten die Kunst, unsichtbar zu bleiben, solange sie nicht gebraucht wurden. Er nahm sich ein Glas Eiswasser. Paul kam und setzte sich wortlos auf einen
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