Alex Rider 6: Ark Angel
»armes reiches Kind« fühlte, genoss er doch das Milliardärsleben in vollen Zügen, und Dinge wie das Privat flugzeug, die Häuser überall auf der Welt und die Freiheit, alles tun zu können, was er wollte, waren für ihn etwas Selbstverständliches. Eigentlich hätten die beiden jetzt wieder in derSchule sein müssen. Alex dachte an Brookland und sehnte sich sehr danach, mit seinen Freunden irgendwelchen Blödsinn zu machen – einfach wieder in der wirklichen Welt zu sein.
Sein schlechtes Gewissen meldete sich, denn er hatte einen Entschluss gefasst, von dem Paul noch nichts wusste. Sobald sie in New York gelandet wären, würde er sich von den Drevins abseilen. Paul tat ihm leid. Der Junge schien ihn so selbstverständlich hinzunehmen wie alles andere. Paul hatte sich das alles nicht ausgesucht, aber jetzt steckte er nun mal drin, und eines Tages würde er derjenige sein, der in der ganzen Welt herumflog und bedeutende Entscheidungen traf.
Alex hatte genug. Er wurde immer nervöser, denn er spürte deutlich, dass sich ein unsichtbares Netz um ihn zusammenzog. Er war jetzt zweimal mit Force Three aneinandergeraten. Beim dritten Mal hatte er vielleicht nicht mehr solches Glück. Was auch immer sie gegen Drevin haben mochten, er wollte jedenfalls nichts damit zu tun haben.
Und dann war da auch noch Drevin selbst. Der Mann war ihm ein einziges Rätsel. Wenn er sich große Sorgen um Pauls Sicherheit machte – warum hatte er dann im St. Dominic keine Wachen aufgestellt? Und war es wirklich nur Zufall, dass die Entführer Alex in ein Gebäude verschleppt hatten, das Drevin oder einer von Drevins zahllosen Gesellschaften gehörte? Alex ging immer wieder seine Begegnung mit Kaspar durch den Kopf. Der Anführer von Force Three war kurz davor gewesen, ihm einen Finger abzuhacken – und hätte es auch getan, wenn es Alex nicht gelungen wäre, ihn zu überzeugen, dass er nicht Paul Drevin war. Warum? Gab es vielleicht irgendeine Privatfehde zwischen Nikolei Drevin und Kaspar, von der beide Männer sich nach außen nichts anmerken ließen?
Alex traute Drevin nicht. Das war die schlichte Wahrheit. Bei ihrem Gokartrennen hätte er ihn beinahe umgebracht. Wenn Alex sich in dem Tunnel überschlagen hätte, wäre er wohl kaum mit dem Leben davongekommen. In Chelsea hatte er wieder verloren, und am Ende war ein Mann gestorben. Steckte da womöglich ebenfalls Drevin dahinter?
Alex’ Entschluss stand jedenfalls fest. Sobald er in New York angekommen wäre, würde er Jack Starbright in Washington anrufen und sie fragen, ob er zu ihr und ihrer Familie kommen durfte. Nikolei Drevin würde er erzählen, dass er Heimweh habe, oder sich sonst irgendetwas ausdenken. Auf dem Flug nach Flamingo Bay wäre er jedenfalls nicht dabei.
»Alles in Ordnung, Alex?«
Alex sah auf. Tamara Knight hielt ihren prüfenden, immer etwas misstrauisch wirkenden Blick auf ihn gerichtet. Auch diese Frau war ihm ein Rätsel. Sie war nie besonders freundlich zu ihm gewesen und schien ausschließlich für Nikolei Drevin da zu sein. Andererseits hatte sie, soweit er wusste, Drevin nichts davon erzählt, dass er Adam Wright noch kurz vor seinem Tod gesehen hatte.
»Ja, danke«, sagte Alex.
»Freust du dich auf den Raketenstart?«
Alex zuckte die Schultern. »Ja, sicher.«
Paul hatte einen Film ausgewählt. Das Licht wurde gedimmt, und wenig später ging es los.
E s war kurz nach ein Uhr New Yorker Zeit, als sie auf dem JFK Airport landeten. Nikolei Drevin war für die letzte Stunde des Flugs aus seinem Arbeitsraum gekommen, hatte Tamara einenBrief diktiert und mit Paul geplaudert. Teile ihres Gesprächs führten sie auf Russisch. Alex fragte sich, ob sie wohl auch über ihn sprachen.
Die 747 rollte zu einem Terminal. Alex erkannte durchs Fenster eine Limousine, deren Chauffeur sie bereits erwartete. Er nahm an, dass ein so reicher und mächtiger Mann wie Drevin sich nicht zu den anderen in die Warteschlange vor der Einwanderungsbehörde einreihen musste, und so war es auch. Die Tür des Flugzeugs öffnete sich elektronisch, und zwei Männer in Anzügen kamen herein – Beamte von Zoll und Einwanderungsbehörde. Einer hatte einen metallenen Aktenkoffer dabei, aus dem er ein Laptop und einen altmodischen Passstempel nahm.
»Guten Tag, Mr Drevin, Sir«, sagte der Mann. Er war jung und glatt rasiert, hatte kurze blonde Haare und trug eine dunkle Brille. »Willkommen in New York.«
»Danke sehr.« Drevin hielt ihm seinen Pass hin.
Ohne einen Blick
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