Alex Rider 6: Ark Angel
wohlbehalten wiederzusehen.
»Ich hab mich schon mal besser gefühlt«, sagte sie. »War das da eben Magnus Payne?«
Alex nickte.
»Ich habe ihn an seinen Pranken erkannt. Aber was ist mit seinem Kopf passiert?«
Alex erklärte es ihr. Er berichtete ihr auch von der Szene im Hangar und von Drevins Plan, Washington zu zerstören. Tamara kniete an der Tür ihres Käfigs und hörte aufmerksam zu. Als er fertig war, stieß sie einen tiefen Seufzer aus. Sie schien noch blasser geworden zu sein.
»Und wir dachten, er würde einfach abhauen«, sagte sie. »Wir dachten, er wäre erledigt. Wir sind nie auf die Idee gekommen, dass er etwas in dieser Art vorhaben könnte.«
»Kann er das denn wirklich machen?«, fragte Alex.
Tamara dachte kurz nach und nickte schließlich. »Möglich. Ich weiß es nicht. Er müsste das Ganze auf die Sekunde genau berechnet haben. Die Explosion. Alles Weitere. Aber, ja ... ich fürchte, er ist dazu in der Lage.«
»Wir müssen Kontakt mit Joe Byrne aufnehmen.«
»Die Wachen haben mir das Funkgerät abgenommen. Ich nehme an, du hast deinen iPod auch nicht mehr.«
»Was ist mit Telefon?«
»Es gibt Funktelefone auf der Insel, aber die sind bestimmt abgeschaltet, für alle Fälle. Und normale Handys nützen nichts; hier kriegt man kein Signal. Ich weiß nicht, Alex. Entweder halten wir ihn selbst auf, oder wir müssen Hilfe holen.«
»Barbados ...«
»Bis dahin sind es nur fünfzehn Kilometer. Ed Shulsky und seine Leute stehen an Harrison Point bereit. Vielleicht kannst du ein Boot stehlen.«
»Allein? Warum nicht wir beide?«
Tamara schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Alex. Ich habe eine Kugel in der Schulter. Ich würde dich nur aufhalten.«
Alex trat heftig gegen die Käfigtür. Das Gitter ratterte. »Keine Chance, das Ding ist aus Stahl.«
»Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte Tamara. Sie griff nach unten und zog die Schnürsenkel aus ihren Turnschuhen. »Fang auf! « Sie schob den unverletzten Arm zwischen den Gitterstäben durch und warf Alex die Bändel zu.
»Was ...«
»Du bist nicht der Einzige, der mit Spielzeug ausgerüstet wird. In den Senkeln ist Wolframdraht. Mit Diamantschneide. Damit kannst du die Stäbe durchsägen.«
»Cool«, sagte er, auch wenn er sich insgeheim wünschte, die CIA hätte sich etwas weniger Umständliches und vielleicht ein bisschen Effizienteres einfallen lassen.
»Die Ohrringe mit den Sprengkapseln hat man mir abgenommen«, sagte Tamara, als könnte sie seine Gedanken lesen.
Alex nahm einen der Schnürsenkel und untersuchte die Tür. Die Gitterstäbe waren stark, aber dünn, und er würde nur drei davon zersägen müssen, um sich hindurchzwängen zu können. Dass seine Hände gefesselt waren, machte die Sache nicht gerade einfacher, aber vielleicht fand er dafür auch noch eine Lösung. »Wie viel Zeit haben wir?«, fragte er.
»Nicht viel. Um sechs wird es hell, und wenn du bis dahin nicht draußen bist, hast du keine Chance mehr.«
»Also dann.«
Alex schlang die Schnur um das Kabel, mit dem seine Hände gefesselt waren, und fasste die herabhängenden Enden mit seinen Zähnen. Er zog stramm und bewegte seine Hände mit kleinen Ruckbewegungen auf und ab. Nach weniger als einer Minute hatte er seine Hände frei. Tamara lächelte. Jetzt konnte er ernsthaft zu arbeiten anfangen.
Mit den Gitterstäben ging es nicht so leicht. Für den ersten brauchte er mehr als eine halbe Stunde, und obwohl er ihn ganz unten durchgesägt hatte, ließ er sich, wie Alex enttäuscht feststellen musste, nicht zurückbiegen. Er musste ihn auch oben durchsägen – noch mal eine halbe Stunde –, und erst dann fiel er mit lautem Scheppern zu Boden. Alex fluchte leise vor sich hin. Falls da oben irgendwelche Wachen waren, hatten sie garantiert den Lärm gehört. Aber er hatte Glück. Es kam niemand. Offenbar waren die beiden ganz allein in dem Gebäude.
Tamara hatte ihn schweigend beobachtet, aber jetzt nickte sie ihm aufmunternd zu. »Mach weiter!«, sagte sie.
»Wie spät ist es eigentlich?«
»Weiß ich nicht. Die haben mir die Uhr abgenommen.«
Die Nacht schleppte sich dahin. Alex hockte gebückt vor dem Käfiggitter und sägte, ohne die leiseste Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Er wusste nur, dass er vollkommen erschöpft war. Er brauchte Schlaf. Und er hatte Blasen an Daumen, Fingern und Handballen. Tamara sah ihm zu. Der Orang-Utan hatte ihnen beiden den Rücken zugewandt und schnarchte vor sich hin.
Endlich war es geschafft.
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