Alex Rider 7: Snakehead
auch ein Spion. Du musst zugeben, irgendwie scheint das in der Familie zu liegen.«
Jack legte ihm die Hände auf die Schultern. Die hinter ihnen untergehende Sonne spiegelte sich blutrot im Wasser. Die Geschäfte leerten sich. Die Brücke über ihnen warf einen dunklen Schatten.
»Gibt es irgendetwas, womit ich dich aufhalten könnte?«, fragte sie.
»Ja.« Alex sah ihr in die Augen. »Aber tu es bitte nicht.«
»Na schön.« Sie nickte. »Aber ich werde mir schreckliche Sorgen machen. Das weißt du. Pass bloß gut auf dich auf. Und sag Ash von mir, dass ich dich Weihnachten zu Hause haben will. Und diesmal soll er mal dran denken, mir eine Karte zu schicken.«
Sie wandte sich hastig ab und ging weiter. Alex wartete kurz, dann folgte er ihr.
Bangkok. Die Snakeheads. Noch ein Auftrag. Tatsächlich hatte Alex die ganze Zeit damit gerechnet – aber er hatte nicht gedacht, dass es so schnell passieren würde.
Stadt der Engel?
V ierundzwanzig Stunden später landete Alex auf dem Suvarnabhumi International Airport in Bangkok. Schon der Name warnte ihn, dass er am Tor zu einer absolut fremden Welt angekommen war. Er war ja schon weit herumgekommen, aber noch nie im Fernen Osten gewesen. Und jetzt, nach dem neunstündigen Flug von Sydney, war er da – und ganz allein. Jack hatte ihn begleiten wollen, aber das hatte er abgelehnt. Es war ihm leichter gefallen, im Hotel von ihr Abschied zu nehmen. Außerdem brauchte er Zeit, sich auf das Kommende vorzubereiten.
Am Abend zuvor hatte er sich noch einmal mit Brooke und Damon getroffen. Sie hatten ihm nicht mehr viel zu sagen. Im Peninsula-Hotel in Bangkok sei ein Zimmer für ihn gebucht. Ein Fahrer werde ihn vom Flughafen abholen und dort hinbringen. Ash werde ihn unmittelbar nach seiner Ankunft aufsuchen.
»Dir ist klar, dass wir dich verkleiden müssen«, sagte Brooke. »Du siehst nicht gerade wie ein Afghane aus.«
»Und ich spreche auch nicht die Landessprache«, fügte Alex hinzu.
»Das ist kein Problem. Du bist ein Kind, ein Flüchtlingskind. Kein Mensch wird erwarten, dass du was sagst.«
Der Flug hatte eine Ewigkeit gedauert. ASIS hatte ihmeinen Platz in der Businessclass gebucht, aber irgendwie kam er sich dort noch mehr fehl am Platz und einsamer vor. Er sah einen Film, aß etwas und ruhte sich aus. Aber niemand sprach mit ihm. Umgeben von einer seltsamen Hülle aus Metall, inmitten von Fremden, war er wieder einmal auf dem Weg in ein gefährliches, vielleicht tödliches Abenteuer. Alex sah aus dem Fenster auf den grellweiß in der Sonne liegenden Wolkenteppich hinab und fragte sich, ob er dabei war, einen Fehler zu machen. Vielleicht sollte er in Bangkok einfach in ein anderes Flugzeug umsteigen; in zwölf Stunden wäre er dann in London. Aber sein Entschluss stand fest. Es ging ihm nicht um ASIS oder die Snakeheads.
Er war der Letzte, der deine Eltern lebendig gesehen hat .
Alex dachte an das, was Brooke ihm erzählt hatte. Er würde den besten Freund seines Vaters kennenlernen. Seinen Paten. Er flog hier nicht einfach von einem Land in ein anderes. Er flog zurück in seine eigene Vergangenheit.
Die 747 kam zum Stillstand. Jetzt durften die Gurte geöffnet werden, und die Passagiere erhoben sich gleichzeitig und begannen in den Gepäckfächern zu wühlen. Alex hatte nur einen kleinen Koffer dabei und gelangte schnell durch Zoll und Einwanderungsbehörde in die schwüle, stickige Luft der Ankunftshalle. Plötzlich fand er sich in einer schnatternden, gestikulierenden Menschenmenge.
»Taxi! Taxi!«
»Du wollen Hotel?«
Seltsames Gefühl, aus der Businessclass in dieses Gewimmel zu geraten. Auf einmal stand er wieder im Lärm und Chaos der wirklichen Welt. Er war auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
Und dann sah er seinen Namen auf einem Schild, das ein Thai hochhielt. Alex ging zu ihm.
»Bist du Alex? Mr Ash schickt mich, ich soll dich abholen. Hattest du einen guten Flug? Das Auto wartet draußen.«
Als sie das Flughafengebäude verließen, fiel Alex ein Mann auf, der etwas Rotes im Knopfloch hatte, eine künstliche Mohnblüte, wie man sie in England am Remembrance Day trägt; an diesem Tag im November wird der Toten der Weltkriege gedacht, und dieser Tag war tatsächlich bald. Alex fand es nur seltsam, sogar hier Anzeichen davon zu sehen.
Der Mann trug Jeans und eine Lederjacke. Wahrscheinlich ein Europäer, etwa fünfundzwanzig Jahre, kurze schwarze Haare und dunkle Augen. Er hatte ein kantiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und schmalen
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