Alex Rider 7: Snakehead
an den Messerstich heimgesucht wurde und der Schmerz noch immer nicht vergessen war.
»Warum bist du Spion geworden?«, fragte Alex eines Morgens.
»Damals fand ich das eine gute Idee«, knurrte Ash. Er ließ sich nicht gern ausfragen und gab selten eine offene Antwort. Aber an diesem Tag war er in besserer Stimmung. »Man hat mich in der Armee darauf angesprochen.«
»Alan Blunt?«
»Nein. Er war zwar schon da, als ich dazukam, aber noch nicht in leitender Position. Ich wurde kurz nach deinem Vater rekrutiert. Wenn du willst, erzähle ich dir, warum er Spion geworden ist.«
»Also, warum?«
»Einfach, weil er Patriot war.« Ash zog ein Gesicht. »Er hat tatsächlich gedacht, er habe die Pflicht, seinem Land und seiner Königin zu dienen.«
»Du nicht?«
»Doch ... früher.«
»Und was ist dann passiert? Warum siehst du das jetzt anders?«
»Das ist schon lange her.« Ash pflegte ein Gespräch einfach abzuwürgen, wenn er nichts mehr sagen wollte. Alex hatte gelernt, dass es keinen Sinn hatte, weitere Fragen zu stellen, wenn das geschah. Ash konnte sich in Schweigen hüllen wie in einen Mantel. Und wenn es noch so ärgerlich war, man konnte dann nur noch warten. Ash würde erst wieder reden, wenn er dazu in Stimmung war.
Am vierten Tag kam der Snakehead.
Alex war gerade mit etwas zu essen vom Markt zurück, als er die Schritte auf der Treppe hörte. Ash warf ihm einen warnenden Blick zu und schwang sich vom Bett, als die Tür aufflog und einer der hässlichsten Männer, die Alex jemals gesehen hatte, ins Zimmer trat.
Er war klein und trug einen Anzug, der aussah, als sei er in der Wäsche eingelaufen. Schädel und Gesicht waren gleichmäßig mit schwarzen Stoppeln bedeckt. Dafür hatte er keine Augenbrauen – als wäre die Haut an den Stellen so dick und vernarbt, dass da nichts wachsen konnte. Sein Mund war unglaublich breit, sah aus wie eine offene Wunde, und wenn er ihn aufmachte, sah man mehr Lücken als Zähne. Und das Schlimmste: Er hatte keine Ohren. Wo sie hätten sein sollen, hingen nur noch ein paar verfärbte Hautlappen. Offenbar hatte man sie ihm irgendwann einmal abgeschnitten.
Dieser Mann musste Anan Sukit sein. Er hatte noch jemanden mitgebracht, einen Mann in Jeans und weißem T-Shirt und mit einer Kamera in der Hand – ein klobiges Ding aus Holz, das aussah wie aus einem Antiquitätenladen. Schließlich trat noch ein dritter ins Zimmer. Er war ähnlich gekleidet wie Ash, vermutlich ein Afghane, der als Dolmetscher dienen sollte. Alex hatte sich in eine Ecke gehockt. Er sah verstohlen zu dendrei Männern hinüber, versuchte aber, nicht allzu neugierig zu erscheinen, als wollte er selbst nicht bemerkt werden.
Sukit sagte etwas zu dem Dolmetscher und der gab es an Ash weiter. Ash antwortete auf Dari, und während die Unterhaltung dann mithilfe des Dolmetschers in Gang kam, fiel Alex auf, dass Sukit ihn immer wieder ansah. Die winzigen Augen des Snake heads huschten die ganze Zeit hin und her. Der Mann mit der Kamera hatte mit seiner Arbeit angefangen, und Alex saß still, als mehrere Aufnahmen von ihm gemacht wurden. Dann war Ash an der Reihe. Er hatte Alex bereits erklärt, was für Papiere für sie besorgt werden mussten. Pässe, wenn möglich mit einem Visum für Indonesien. Eine polizeiliche Vorladung für Ash. Ein Krankenhausbericht, aus dem hervorging, dass er beim Verhör verletzt worden war. Vielleicht einen alten Mitgliedsausweis der kommunistischen Partei. All das würde ihnen helfen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, wenn sie in Australien eingetroffen waren.
Der Fotograf war fertig, aber das Gespräch ging noch weiter. Alex spürte, dass etwas nicht stimmte. Sukit nickte ein paarmal in seine Richtung; anscheinend stellte er irgendwelche Forderungen. Ash sträubte sich und machte ein unglück-liches Gesicht. Mehrmals hörte Alex, wie sein Name – Abdul – erwähnt wurde.
Dann kam Anan Sukit plötzlich in seine Ecke. Er schwitzte und stank nach Knoblauch. Ohne Vorwarnung packte er Alex am Arm und zog ihn hoch. Ash stand auf und rief etwas. Alex verstand kein einziges Wort und tat einfach, was Ash ihm eingeschärft hatte: Er stellte sich dumm. Sukit verpasste ihm zwei Ohrfeigen, links und rechts. Alex schrie auf. Nicht nur vor Schmerz. Sondern auch vor Schreck über diese so beiläufigausgeübte Gewalt. Ash stieß einen wütenden Wortschwall aus. Vielleicht flehte er Sukit an. Sukit antwortete jedenfalls. Ash nickte. Was auch immer von ihm gefordert worden war, er hatte
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