Alex Rider 7: Snakehead
lässt uns nur sehr wenig Spielraum. Wenn wir die verpassen, kommen andere Schiffe an die Reihe.«
Yu dachte nach. So etwas wie ein besorgter Ausdruck trat in sein faltiges Schuljungengesicht. Jetzt war genau das passiert, wovor Zeljan Kurst ihn in London gewarnt hatte. Ob es ihm gefiel oder nicht, Alex Rider hatte sich schon einmal mit Scorpia angelegt und sie besiegt. Yu hatte es für unmöglich gehalten, dass so etwas ein zweites Mal geschehen könnte. Aber dieser Junge schien mit dem Teufel im Bunde zu sein, beidem Glück, das er hatte. Wie war er aus dem Container entkommen? Zu dumm, dass keiner den alten Mann verstanden hatte, bevor er starb.
»Auch wenn wir im Hafen anlegen, kann der Junge das Schiff unmöglich verlassen«, sagte de Wynter. »Es gibt nur einen Ausgang – die Gangway –, und die wird ständig bewacht. Er kann ins Wasser springen, aber unsere Männer haben mit ihren Gewehren alles unter Kontrolle. Wir können ihn im Wasser erschießen. Ein Schuss genügt. Niemand wird etwas hören. Wir werden nur ein paar Stunden in Darwin ankern. Unser nächster Hafen ist Rio de Janeiro. Da haben wir drei Wochen Zeit, ihn aufzustöbern.«
Major Yu nickte langsam. Während de Wynter noch sprach, hatte er sich bereits entschieden. In Wirklichkeit blieb ihm keine große Wahl. Royal Blue musste unverzüglich von Bord gebracht werden. Das duldete keinen Aufschub. Aber es gab etwas, was Alex Rider nicht wusste. Was auch immer geschah, Yu hielt alle Trümpfe in der Hand.
»Also gut, Captain«, sagte er leise. »Wir legen in Darwin an. Aber wenn der Junge Ihnen ein zweites Mal durch die Lappen geht, rate ich Ihnen, sich freiwillig umzubringen.« Er zerbrach einen Keks in zwei Teile. »Das erspart mir die Mühe, und Ihnen wird es sehr große Schmerzen ersparen, das kann ich Ihnen ver sichern.«
A lex Rider hatte alles gehört, was Major Yu gesagt hatte.
Der Mann, der im Vorstand von Scorpia saß und Chef der mächtigsten Snakehead-Gruppe Südostasiens war, wäre entsetzt gewesen, wenn er gewusst hätte, dass Alex sich ausgerechnet unter seinem eigenen Bett versteckt hatte.
Alex kannte seinen Gegner jetzt. Als der Flüchtling an Deck getötet wurde und Yu der Mannschaft befahl, ihn zu jagen, hatte er erkannt, dass er einen Ort auf dem Schiff finden musste, an dem zu suchen niemand auch nur im Traum einfallen würde. Natürlich gab es Hunderte von Verstecken – Luftschächte, die Zwischenräume zwischen den Containern, Kabinen, Abstellräume und Vorratskammern. Aber nichts davon war gut genug, wenn die Besatzung die ganze Nacht lang nach ihm suchte.
Nein ... sein Versteck musste etwas vollkommen Unvorstellbares sein – und schon hatte er eine Eingebung. Wohin würde er sich niemals wagen? In die Kapitänskajüte oder, noch besser, in Major Yus Privatkabine. Dort durften die Leute von der Besatzung bestimmt nicht hin. Sie würden nicht einmal auf die Idee kommen, dort nachzusehen.
Er hatte nur wenige Minuten Vorsprung. Während die Mannschaft in Suchtrupps aufgeteilt und mit speziellen Gerätschaften ausgestattet wurde, rannte Alex, so schnell er konnte. Die Anlage des Schiffes war leicht zu begreifen. Das meiste hatte er schon gesehen. Der Maschinenraum und die Mannschaftskajüten waren im Bauch des Schiffs. Yu, der Kapitän und die höheren Offiziere waren irgendwo oberhalb des Meeresspiegels untergebracht.
Außer Atem, gehetzt von der Vorstellung, dass ihm die Suchtrupps schon auf den Fersen waren, kam Alex zu einer Tür, die in einen der makellos sauberen, hell erleuchteten Korridore führte, die er schon erkundet hatte. Er war auf dem richtigen Weg. Als Erstes sah er einen Konferenzraum voller Seekarten und Computer. Dann eine Art Wohnzimmer mit Fernseher und Bar. Er hörte Töpfe klappern und sprang inDeckung, als ein Mann mit Kochmütze quer durch den Flur von einem Raum in einen anderen ging. Gleich darauf kam er mit einer Kiste Konservendosen wieder zurück.
Alex eilte weiter. Der Koch war offensichtlich in der Speisekammer gewesen, und Alex nutzte die Gelegenheit, sich mit einer Flasche Wasser zu versorgen. Die würde er brauchen. Dann ging er weiter, vorbei an der Wäscherei, einem Spielzimmer, einer Krankenstation und einem Aufzug. Die Liberian Star hatte sechs Stockwerke, wie Alex registrierte.
Yus Kabine befand sich ganz am Ende des Korridors. Sie war nicht abgeschlossen – niemand an Bord der Liberian Star hätte es gewagt, dort einzutreten, selbst wenn die Tür offen und Yu meilenweit
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