Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
der Schachtel, öffnete sie und steckte die Finger hinein, um eine Zigarette herauszuholen.
Im nächsten Moment schrie er gellend auf.
Er war auf einmal wie ausgewechselt. Die Pistole war vergessen, nicht einmal Alex zählte mehr. Er spürte nur noch rasende Schmerzen, die sich von der Hand bis zur Schulter ausbreiteten. Sie lähmten ihn, raubten ihm den Verstand.
Aus der Zigarettenschachtel kroch ein erwachsener, wütender Skorpion mit einem dicken Schwanz. Der Stich dieses Tieres muss nicht immer tödlich sein, aber dieses Exemplar war seit fast zwölf Stunden in der Zigarettenschachtel eingesperrt, hatte seine Giftdrüse gefüllt und wartete nun voller Angriffslust. Als Gunter die Schachtel öffnete, schlug der Skorpion zu und spritzte mit seinem Stachel das schnell wirkende Nervengift in Gunters Handteller. Im selben Moment erwachte Alex zum Leben, sprang aus seinem Stuhl und riss die Pistole an sich. Er hatte keine Zeit, sie zu laden. Stattdessen schlug er sie Gunter mit aller Kraft ins Gesicht. Er hörte Gunters Nase brechen. Blut spritzte.
Gunter, der sich immer noch die verletzte Hand hielt, fiel nach hinten, verlor das Gleichgewicht und knallte mit dem Kopf gegen die Kante des Arbeitstisches. Bewegungslos blieb er auf dem Boden liegen.
Alex verharrte keuchend an seinem Platz.
Das Skorpionnest vor seiner Zelle war ihm bereits am Tag seiner Ankunft in der Oase Siwa aufgefallen. In Ermangelung einer Waffe oder sonstiger technischer Ausrüstung hatte er sich bereits vor Jacks Fluchtversuch einen Plan überlegt. Die Zigarettenschachtel hatte er beim Frühstück mitgehen lassen und in seiner Zelle versteckt. Er hatte die ganze Nacht – die längste Nacht seines Lebens – wach gelegen und gehofft, dass wieder ein Skorpion auftauchen würde.
Einige Stunden nach Sonnenaufgang war dann endlich der erwachsene Skorpion durch das Fenster gekrochen. Alex hatte ihn mit der Zigarettenschachtel eingefangen, vorsichtig eingesteckt und seitdem in seiner Tasche mit sich getragen.
Beim Betreten des Übertragungswagens hatte er so getan, als stolpere er, und dabei die Schachtel herausgezogen und auf den Tisch gelegt.
Alex untersuchte die Pistole. Sie lag schwer in der Hand, war aber mit externem Hahn und abnehmbarem Kastenmagazin für acht Patronen und ohne Sicherungshebel relativ einfach zu bedienen. Außerdem war sie voll geladen. Er steckte sie sich in den Hosenbund, denn er würde sie noch brauchen.
Von den Monitoren kam Applaus und Alex hob den Kopf. Die amerikanische Außenministerin betrat gerade die Bühne. Die Zuschauer waren aufgestanden. Alex warf einen letzten Blick auf Gunter. Er schien nicht zu atmen und seine Hand sah aus wie ein mit Luft gefüllter Spülhandschuh. Sie erinnerte Alex daran, dass irgendwo in diesem Wagen ein angriffslustiger Skorpion hockte. Es war Zeit zu gehen.
Er entriegelte die Tür und schob sie auf. Die Aula war nur wenige Meter von ihm entfernt. Es war dunkel, hatte aber noch nicht angefangen zu regnen. Der Übertragungswagen war klimatisiert gewesen, jetzt schlug ihm warme, schwüle Luft entgegen. Neben ihm standen die Wagen der anderen Fernsehsender. Einige hatten die Türen offen und das grauweiße Flimmern der Monitore schien durch die Nacht. Polizisten und Sicherheitsbeamte entdeckte er nirgends. Sie standen vermutlich am Haupteingang oder konzentrierten sich in der Aula auf Publikum und Bühne.
Doch dann sah er eine einzelne Gestalt an der Mauer entlanghuschen. Sie trug eine dunkelblaue Hose und ein hellblaues Polohemd und war außer Atem.
Julius Grief.
Er hatte sich verspätet. Vielleicht hatte ein CIA-Agent ihn beim Verlassen des Gebäudes aufgehalten. Natürlich trug er keine Waffe bei sich. Die wäre bei der Leibesvisitation aufgefallen.
Alex schob die Tür des Überwachungswagens zu und nahm die Verfolgung auf.
Sturm über Kairo
» G uten Abend, meine Damen und Herren. Ich freue mich sehr, heute hier sein zu können. Vielen Dank für Ihren überaus herzlichen Empfang.«
Der riesige Monitor im Hintergrund der Bühne zeigte die Außenministerin noch mal in Großaufnahme, wie sie am Stehpult zwischen den Fahnen der USA stand. Ihre Eröffnungsworte las sie seitlich von einem Bildschirm ab, den ansonsten niemand einsehen konnte.
Die zweitausend Zuhörer begannen zu klatschen und der Applaus schwoll langsam an, breitete sich bis unter die Kuppel aus.
In den ersten Reihen und den Galerien rechts und links saßen die Reichen und Mächtigen: ägyptische Politiker, Scheichs, Diplomaten
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