Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
Besuch der Außenministerin angekündigt. Einige Fotos hatten die Aula gezeigt, den Ort, an dem die Rede gehalten werden sollte. Ein weiteres diesen Raum und eines einen Haken, der wie ein Schwanenhals geformt war. Der genauso aussah wie die Haken an der Wand vor ihm.
Alex hatte sich in Bewegung gesetzt, noch bevor er zu Ende gedacht hatte. Er streckte die Hand aus und zog an den Haken, in der Erwartung, dass sie sich vielleicht drehen ließen. Stattdessen konnte man den dritten wie einen übergroßen Schalter nach unten drücken. Ein Klicken ertönte und ein Teil der Wand schwang auf. Dahinter kam eine eiserne Treppe zum Vorschein, die zwischen massiven Betonwänden nach oben führte. Sie war so schmal, dass man nur seitlich gehend hinaufkam.
Erst jetzt begriff er, wie genial der Plan von Scorpia tatsächlich war. Wie schleust man einen Attentäter in ein Gebäude, das rundum abgeriegelt, gründlich durchsucht, ständig überwacht und vierundzwanzig Stunden vorher abgeschlossen wird?
Antwort: Man baut schon Wochen oder Monate vorher einen geheimen Gang. Bestimmt hatte das Scharfschützengewehr hier für Julius bereitgestanden. Kein Wunder, dass er mit leeren Händen gekommen war. Er brauchte es nur hier abzuholen, an eine Stelle zu gehen, von der aus er die Bühne sehen konnte, und zu schießen. Anschließend musste er nicht einmal fliehen. Stattdessen konnte er in seinem Versteck seelenruhig einige Tage abwarten.
Alex eilte die Treppe hinauf, die sich zwischen der inneren und äußeren Wand der Aula befand. Offenbar wurde der Zwischenraum für Versorgungsleitungen oder Lüftungszwecke benötigt. Licht gab es keins. Etwa zehn Stufen vom Eingang entfernt war es bereits stockdunkel. Wahrscheinlich hatte Julius eine Taschenlampe mitgebracht. Aber Alex brauchte gar nichts zu sehen. Die Treppe bestand aus Metallbrettern, die in gleichmäßigen Abständen zueinander angebracht waren. Solange er also gleich große Schritte machte, konnte er nicht stolpern oder fallen. Auch die Wände auf beiden Seiten halfen ihm. Er konnte sich daran abstützen. Dass er nichts sah, war also nicht weiter schlimm. Er wusste, was er zu tun hatte.
Die Treppe war schier endlos und nach einer Weile taten ihm die Beine weh. Wahrscheinlich führte sie bis in das Dach der Aula. Der Krümmung der Wände entnahm er, dass er bereits in der Kuppel angelangt war. Er hatte nicht mitgezählt, aber zweihundert Stufen war er bestimmt schon hochgestiegen. Wie lange hatte er gebraucht? Egal, Hauptsache, er kam nicht zu spät.
Er sah Licht und hörte die Stimme einer Frau wie durch einen Vorhang. Sie sprach mit einem amerikanischen Akzent.
»… die Vereinigten Staaten pflegen seit jeher gute Beziehungen zu bestimmten Ländern der Welt. Doch ich glaube, dass wir diese Beziehungen aufgrund der Verschiebung des globalen Mächtegleichgewichts überdenken müssen …«
Alex zog die Tokarew TT-33, die er Gunter abgenommen hatte, aus dem Hosenbund und stieg vorsichtig weiter. Am liebsten wäre er gerannt, aber er wusste, dass er jetzt keine Geräusche machen durfte. Er gelangte zu einem Durchgang, keiner Tür, sondern einem gezackten, aus dem Mauerwerk gehauenen Loch, das kaum breit genug war, um hindurchzukriechen. Dahinter flackerte Licht wie von einem Fernsehbildschirm.
»Vor allem ein Land hat es meiner Meinung nach versäumt, mit der Zeit zu gehen …«
Alex blickte durch die Öffnung. Vor ihm lag Julius Grief auf dem Bauch. Er hielt das Gewehr in den Händen, mit dem Gunter Alex fotografiert hatte. Die Spitze des Laufs ruhte auf einem schmalen Fenstersims in Höhe des Bodens. Julius trug Latexhandschuhe, um keine Fingerabdrücke auf Schaft oder Abzug zu hinterlassen.
»Dieses Land ist unser Freund und wird es auch bleiben. Doch wir müssen erkennen, dass es in der internationalen Politik keine bedeutende Rolle mehr spielt …«
Der Kontrollraum war rund, hatte die Form einer umgedrehten Schüssel und sah aus, als sei er schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Auf dem Boden lag ein grüner, abgewetzter Teppich, darauf standen alte Maschinen, Generatoren und Blechkästen, in denen vermutlich Teile der Klimaanlage untergebracht waren. Sämtliche Geräte waren durch dicke Bündel von Kabeln und Röhren verbunden. Julius lag mit den Füßen zu ihm.
Alex blickte über seine Schulter durch das Fenster und sah, auf was Julius zielte: den riesenhaft vergrößerten Kopf einer intelligent aussehenden Frau mit silbergrauem Haar. Oder nein, das war nur ein
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