Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
vor Schreck wie gelähmt. Seine Pistole lag neben ihm. Alex stürzte sich auf ihn, packte ihn und begann ihn zu würgen. Die Kugeln hatten die Seile der Brücke fast durchtrennt, aber noch hielt sie das Gewicht der beiden. Schwankend rangen sie miteinander. Die Schüsse waren verstummt und Alex sah einen Wachmann von einem Turm stürzen. Razim streckte den Arm nach seiner Pistole aus. Alex packte seinen Arm und zog ihn weg.
Dann riss die Brücke. Alex fühlte, wie sich der Abgrund unter ihm auftat. Entweder er hielt Razim weiter fest und stürzte mit ihm ab oder er ließ ihn los und rettete sich. Im letzten Augenblick behauptete sich der Selbsterhaltungstrieb. Alex schwang inmitten durchtrennter Seilenden zurück und schlang sich hastig ein Seil um den Arm, um nicht abzustürzen. Seine Füße baumelten auf einmal in der Luft, Handgelenke und Schultern streckten sich schmerzhaft. Nur ein Teil der Brücke war eingestürzt, der andere stand noch, sodass er nicht auf dem Boden aufschlug.
Razim hatte weniger Glück. Er hatte bis zuletzt versucht, seine Pistole zu packen, und darüber versäumt, sich festzuhalten. Er wollte es noch nachholen, bekam die Seile aber nicht mehr zu fassen und stürzte in den Hof hinab. Wäre er auf den Boden gekracht, hätte er sich die Beine gebrochen. Stattdessen landete er auf dem Haufen Salz, das seine Männer in der Wüste gesammelt hatten, und versank darin bis zur Hüfte. Seine Brille hatte er verloren, die Pistole war neben ihn gefallen. Er selbst steckte im Salz fest.
Die Kämpfe im Hof hatten aufgehört. Razims Männer ergaben sich und die amerikanischen und ägyptischen Agenten nahmen sie in Gewahrsam.
Razim wand und krümmte sich. Er sank immer tiefer in das Salz ein und riss angstvoll die Augen auf. Alex baumelte außer Reichweite über ihm an der zerstörten Brücke.
»Hilf mir«, sagte Razim.
Alex rührte sich nicht. Wenn er sein Gewicht verlagerte, stürzte womöglich auch der Rest der Brücke ein.
Razim sank Stück für Stück. Das Salz ging ihm bereits bis zu den Achselhöhlen. Er schien zu wissen, was gleich passieren würde und dass er endgültig verloren hatte. In den letzten Sekunden seines Lebens brachte er noch irgendwie ein Lächeln zustande. Für Alex sah es aus wie eine Fratze.
»Bitte …«, wimmerte Razim. »Hilf mir. Wirf mir ein Seil zu.«
Das Salz stieg weiter an ihm hinauf.
Razim spürte, wie es ihm Bauch und Brust zusammendrückte. Es war wie ein Monster, das ihn genüsslich in sich hineinschlang und bei lebendigem Leibe verschluckte.
»Du hast mich betrogen!«, kreischte er. »Ich war besser als du, ich hätte gewinnen müssen!«
Alex rührte sich nicht. Er konnte nichts tun.
Razim streckte mit allerletzter Kraft den Arm nach der Pistole aus. Er konnte sie mit den Fingerspitzen berühren, bekam sie aber nicht zu fassen. Schließlich musste er aufgeben. Auch sein Arm wurde unter das Salz gezogen. Es stieg ihm über die Schultern. Nur Kopf und Hals waren noch zu sehen, als sei er geköpft worden.
»Bleib, wo du bist, Alex!« Ein CIA-Agent hatte die Brücke erreicht und kroch auf Alex zu. »Wir holen dich.«
Alex blickte unverwandt zu Razim hinunter.
Etwas Schreckliches geschah. Das Salz drang durch die Poren in Razims Haut ein. Es war, als würde er bei lebendigem Leib gekocht werden. Weißer Schaum quoll aus Mund und Augen. Alex musste unwillkürlich an Nacktschnecken denken. Er hatte mal irgendwo gehört, dass sie einen schrecklichen Tod starben, wenn sie in Salz gewälzt wurden.
»Alex …«
Mehr sagte Razim nicht. Seine Augen waren inzwischen ganz weiß.
Er holte noch einmal mühsam Luft, als könnte ihm das helfen, dann wurde auch sein Kopf hinuntergezogen. Einen Moment lang war noch eine Vertiefung zu sehen, dann wurde sie durch das Salz aufgefüllt.
»Wir haben dich!«
Alex spürte, wie Hände ihn packten und ihm über die Brücke zurückhalfen. Dort erwarteten ihn weitere Männer. Vielleicht hatten sie mitbekommen, was mit Razim passiert war. Vielleicht hatten sie einfach zugesehen und dem Geschehen seinen Lauf gelassen. Alex kümmerte es nicht. Er war völlig erschöpft.
Der Kampf war vorbei. Alex stieg die Treppe hinunter. Razims Männer standen mit erhobenen Händen an der Mauer. Im Hof lagen überall Leichen. Außer Blake Lewinsky waren noch zwei Amerikaner und ein Mann der ägyptischen Spezialeinheit getötet worden. Die meisten Opfer fanden sich unter Razims Leuten. Sie lagen ausgestreckt im blutigen Sand.
Jemand reichte Alex eine Wasserflasche.
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