Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
einer Bank zu werden, diesmal einer echten.
Sein Blick verweilte kurz auf den Stühlen vor ihm. Er neigte nicht zu Gefühlen, aber er musste unwillkürlich an einige der Männer und Frauen denken, die auf ihnen gesessen hatten. Er hatte ihnen Befehle gegeben und sie waren gegangen und oft nicht zurückgekehrt. Danvers, Wilson, Rigby, Mortimer und Singh, der in Afghanistan so gute Arbeit geleistet hatte, bis seine Deckung aufgeflogen war. Und John Rider. Blunt hätte es nie laut gesagt, aber er hatte John Rider immer besonders geschätzt. Rider war auf Befehl von Scorpia ermordet worden, als er gerade mit seiner jungen Frau nach Südfrankreich hatte aufbrechen wollen. Er war ein viel besserer Agent gewesen als sein jüngerer Bruder Ian.
Und dann gab es natürlich noch Alex Rider, der die beiden Älteren in vieler Hinsicht übertroffen hatte. Blunt gestattete sich den Anflug eines Lächelns. Er hatte von Anfang an gewusst, dass der Junge etwas Besonderes war, und die hartnäckigen Einwände ignoriert, man dürfe einen Schuljungen nicht als Spion arbeiten lassen. Alex war die perfekte Waffe gewesen, gerade weil niemand mit ihm gerechnet hatte. Und er hatte etwas geschafft, was nur wenige andere Agenten geschafft hatten: Er war achtmal im Einsatz gewesen und lebte noch.
Andererseits war er Blunt zum Verhängnis geworden. Der Premierminister hatte einen Tobsuchtsanfall bekommen, als er erfahren hatte, dass der MI6 einen Jugendlichen einsetzte, der noch nicht einmal sechzehn war. Das verstieß gegen sämtliche Vorschriften. Die Öffentlichkeit wäre entsetzt gewesen, wenn sie je Wind davon bekommen hätte. Natürlich hätte man dann auch den Premierminister zur Verantwortung gezogen, obwohl er gar nichts dafürkonnte. Blunt war überzeugt, dass Alex der Grund war, warum man ihn zum Rücktritt aufgefordert hatte. Außerdem hatte man ihm unmissverständlich klargemacht, dass weder Alex noch ein anderer Jugendlicher je wieder auf einen Fall angesetzt werden durfte. In gewisser Weise war Blunt froh darüber. Er hatte genug Leichensäcke gesehen. Einen in Kindergröße wollte er sich lieber nicht vorstellen.
Die Akte …
Blunt war gedanklich abgeschweift, was er sonst nie tat. Er zwang sich zur Konzentration. Vor zwei Tagen hatte man östlich der Southwark Bridge eine Leiche in der Themse gefunden. Einen Mann mittleren Alters mit Anzug und Krawatte. Und einem Einschussloch im Nacken. Man hatte ihn leicht identifizieren können, denn der Mann besaß nur ein Auge und hatte früher in der israelischen Armee gedient. Dort bewahrte man immer noch seine Krankenakte auf. Er hieß Levi Kroll und war eines der Gründungsmitglieder von Scorpia. Sobald diese Verbindung hergestellt worden war, hatten die zuständigen Stellen Alarm geschlagen und der Bericht war hierher weitergeleitet worden, an die Spezialoperationen.
Dass ein führendes Mitglied von Scorpia ermordet worden war und man auch noch seine Leiche gefunden hatte, schien nur schwer vorstellbar. Und es warf alle möglichen Fragen auf. Was hatte Kroll überhaupt in London zu suchen gehabt? Gab es eine Verbindung zum Auftauchen von Zeljan Kurst und der Schießerei im Britischen Museum? Eine Einreise Krolls war nicht aktenkundig, was allerdings nicht überraschte. Kroll hatte mindestens ein Dutzend verschiedene Identitäten. Wer hatte ihn getötet? Dem Bericht zufolge hatte ihn das Geschoss einer .300 Winchester Short Magnum in den Nacken getroffen, abgefeuert aus einer Entfernung von gut fünf Metern. Wurde Scorpia von einer rivalisierenden Organisation attackiert? Blunt überlegte. Der Ruf Scorpias hatte im vergangenen Jahr gelitten, es war deshalb gut möglich, dass eine andere Gruppe ihr das Terrain streitig machte.
Der Bericht enthielt einige weitere Hinweise. Blunt hatte sie grün unterstrichen und am Rand mit einem Sternchen markiert. Die Ermittler des MI6 vermuteten, Kroll könnte kurz vor seinem Ableben in Ägypten gewesen sein. Das Hemd, das er bei seinem Tod getragen hatte, stammte aus einem Geschäft der Arkadia Mall am Ufer des Nils. Es gehörte zur Frühjahrskollektion von Dalydress, einem teuren ägyptischen Hersteller, musste also in letzter Zeit gekauft worden sein. Natürlich konnte es sich auch um ein Geschenk handeln, aber das war unwahrscheinlich. Man hatte viele Hundert Stunden Videoüberwachungsmaterial von allen vier Londoner Flughäfen ausgewertet und war schließlich fündig geworden. Einen Tag bevor man Krolls Leiche gefunden hatte, war tatsächlich ein
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