Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
links und am Hang statt am Abgrund entlang. Er nahm sie jedoch etwas zu knapp. Der Fahrerspiegel stieß gegen einen felsigen Vorsprung und zerbarst. Glasscherben und Plastiktrümmer flogen durch die Luft. Die Jeeps holten wieder auf und von weiter unten sah er die Landrover des Royal Gibraltar Regiment auf sich zukommen.
Der Weg hinab war abgeschnitten und der Weg zurück ebenfalls. Vor ihm lagen die nächste Haarnadelkurve und ein Abgrund, der in den sicheren Tod führte.
Julius riss das Steuer nach rechts. Der Fahrer des Jeeps hinter ihm sah, wie der Suzuki von der Straße abkam und durch Gestrüpp auf eine baufällige Scheune zuhielt. Der Junge hatte offenbar die Kontrolle über den Wagen verloren. Er wollte ihn zur Straße zurücksteuern, krachte aber stattdessen gegen die Scheunentür und verschwand hinter einem Regen herunterstürzender Holztrümmer. Einen Moment war der Suzuki in der Scheune verschwunden, dann brach er am anderen Ende durch die Wand. Die Kühlerhaube war eingedrückt, die Windschutzscheibe spinnwebartig mit Rissen überzogen. Von Julius Grief sah man nur die Umrisse. Er starrte unverwandt geradeaus, ein gefrorenes Lächeln auf den Lippen. Die blonden Haare hingen ihm über das Gesicht, die Hände klebten am Lenkrad.
Er konnte nirgends mehr hin. Die Autos der Kaserne näherten sich von unten und schnitten ihm den Weg ab. Rechts von ihm ragte der Felshang auf, links fiel er senkrecht ab.
Julius unternahm auch gar keinen Versuch mehr. Vielleicht hatte er vom Aufprall auf das Scheunentor eine Gehirnerschütterung davongetragen. Er versuchte nicht einmal zu lenken, sondern raste geradewegs durch das Gestrüpp auf die Straße und darüber hinaus. Vor den Augen der entsetzt abbremsenden Wächter brach er auf der anderen Straßenseite durch einen Stacheldrahtzaun und flog über die Felskante. Einen Augenblick hing der Suzuki bewegungslos in der Luft. Dann stürzte er an der Felswand entlang senkrecht in die Tiefe und zum Meer hinunter. Auf halbem Weg prallte er gegen einen Felsen. Er explodierte und ging in Flammen auf, überschlug sich und setzte seinen Weg fort. Kopfüber traf er auf dem Wasser auf. Kurz blieb er so liegen. Die Flammen züngelten, als wollten sie das Meer in Brand setzen, bevor er versank. Einige Metalltrümmer rollten den Hang hinunter. Sonst war nichts mehr übrig.
Der erste der Landrover, die von unten kamen, hielt an und der Fahrer sprang heraus. Nach und nach trafen weitere Wachen ein, eilten über das Gras und spähten zum zerstörten Zaun. Unter ihnen und zur Seite hin lag die Stadt Gibraltar mit ihren dem Meer zugewandten Hochhäusern. Das Mittelmeer leuchtete blau und glitzerte in der Sonne.
»Habt ihr das gesehen?«, fragte jemand.
»Armer Hund!«
»Ob er es absichtlich getan hat? Er hat nicht mal versucht, wieder auf die Straße zu kommen.«
»Vielleicht lebt er ja noch.«
»Unmöglich. Das überlebt niemand. Wenn er nicht verbrannt ist, ist er ertrunken.«
»Armer Bursche. War erst fünfzehn …«
Natürlich musste der Vorfall untersucht werden. Die entscheidende Frage würde sein: Wie war die Pistole ins Gefängnis gelangt? Offenbar war ein Wächter bestochen worden. Aber welcher? Und was für eine Organisation stand hinter dem Befreiungsversuch? Woher wusste sie überhaupt von der Existenz des Gefängnisses? Ein Krankenwagen war bereits unterwegs, um Dr. Flint ins St. Bernard’s Hospital in der Stadt zu bringen. Als letzte Person, die Julius Grief lebend gesehen hatte, konnte sie vielleicht in einigen Fragen Aufschluss geben. Der Direktor würde nach London fliegen müssen, um an höchster Stelle Meldung zu erstatten. Es würde einige ernste Verwarnungen geben und die Sicherheitsmaßnahmen würden verschärft werden.
Das Gefängnis hatte jetzt nur noch sechs Insassen statt sieben. Julius Grief war tot. Froschmänner würden zum Meeresgrund hinabtauchen, aber die Chancen, in dem zertrümmerten Wagen noch viel von ihm zu finden, waren gering. Wenigstens würde ihn niemand vermissen. Er war zwar nur ein Kind gewesen, aber ein ziemlich verrücktes. Keiner der anderen Häftlinge hatte ihn gemocht. Vielleicht war das auch gut so.
D ie Wahrheit kannte niemand.
Der entscheidende Austausch war innerhalb von Sekunden vonstattengegangen, nachdem das Fahrzeug in der Scheune verschwunden war. Julius Grief war wie angewiesen gegen das Scheunentor gefahren, das nur noch lose in den Angeln hing. In der Scheune hatte ihn ein sechsköpfiges Team von Scorpia-Agenten erwartet. Als er
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