Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
in einem Privatjet angereist?«
»Und der Obduktionsbericht kommt mir noch merkwürdiger vor. Wir kennen den Mageninhalt des Toten und wissen, dass er als letzte Mahlzeit Schnecken, Schweinebraten, Kartoffeln und ein mit Grand Marnier hergestelltes Dessert zu sich genommen hat. Eine solche Mahlzeit isst man in Paris oder London. Bei jemandem, der gerade aus Kairo kommt, überrascht sie eher.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Im Flugzeug hätte er auch in der ersten Klasse keine Schnecken bekommen. Und Schweinefleisch ist für ein muslimisches Land ungewöhnlich. In seinem Magen wurden auch keinerlei ägyptische Gewürze oder Kräuter gefunden. Weder Reis noch Falafel. Natürlich könnte er in einem internationalen Hotel abgestiegen sein. Vielleicht mag er kein ägyptisches Essen. Trotzdem habe ich ein seltsames Gefühl.«
»Noch etwas?«
»Ja, Sir. Bei der Untersuchung der Leiche haben wir einen kleinen Glassplitter gefunden, der sich mit der Kugel in den Nacken gebohrt hat.« Redwing machte eine Pause. »Es ist denkbar, dass Kroll in London in der Nähe der Themse getötet wurde. Er könnte am Ufer oder vielleicht auf einer Brücke gestanden haben. Dort wäre er dann erschossen worden und ins Wasser gefallen. Der Glassplitter legt aber eine andere Möglichkeit nahe. Kroll stand in einem Raum – und zwar vor einem Fenster. In diesem Fall wurde die Leiche erst anschließend in den Fluss geworfen. Doch wozu der Aufwand, wenn es so war? Sollte die Leiche vielleicht gefunden werden?«
»Sie meinen, die Nachricht auf dem iPhone wurde absichtlich für uns hinterlassen?« Blunt überlegte. »Aber warum sollte Scorpia uns in seine Operationen einweihen?«
»Das verstehe ich auch nicht, Sir«, gestand Redwing.
Es folgte langes Schweigen. Dann traf Blunt eine Entscheidung.
»Wir machen vorerst weiter wie besprochen und schleusen jemanden in die Schule ein. Es mag Zeitverschwendung sein, aber schaden kann es auch nicht. Mal davon abgesehen, dass es natürlich immer schade ist, die Kräfte eines voll einsatzfähigen Agenten zu vergeuden.«
Mrs Jones warf Blunt einen ernsten Blick zu. Sie wusste wieder einmal genau, was er dachte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, säße Alex bereits im Flugzeug nach Kairo.
Aber dazu durfte es nicht kommen. Alex Rider war endgültig Geschichte. Mrs Jones hatte nie mit Blunt darüber gesprochen, aber sie hatte es sich selbst versprochen. Und dieses Versprechen wollte sie unabhängig von ihrer weiteren Zukunft beim MI6 unbedingt halten.
Zweiter Teil
ALEX RIDER
Der Heckenschütze
» A lex! Du hast schon wieder verschlafen. Raus aus den Federn!«
Jack Starbright stand in der Tür von Alex’ Zimmer im zweiten Stock des Hauses in der Nähe der King’s Road im Londoner Stadtteil Chelsea, das sie gemeinsam bewohnten. Es war Viertel vor acht und Alex hätte längst aufstehen und sich anziehen müssen. Doch nur sein Hinterkopf sah unter der Bettdecke heraus, ein verstrubbelter Schopf blonder Haare. Darunter zeichneten sich die Umrisse seines Körpers ab.
»Alex …«, setzte Jack erneut an.
Eine Hand tauchte auf, packte das Kopfkissen und zog es über die Ohren. »Was für ein Tag ist heute, Jack?« Die Stimme wurde durch das Kopfkissen gedämpft.
»Donnerstag. Du hast heute Schule.«
»Ich will nicht in die Schule.«
»Du musst.«
»Was gibt es zum Frühstück?«
»Das siehst du nach dem Duschen.«
Jack machte die Tür wieder zu.
Einige Sekunden vergingen, dann nahm Alex das Kissen herunter. Er kniff die Augen gegen das helle Licht zusammen, warf die Decke zurück, setzte sich auf und sah sich in dem Chaos um, das sein Zimmer war. Auf dem Boden verstreut lagen zusammengeknüllte Kleider, Schulbücher und Schnellhefter. Neben dem Computer stapelten sich DVDs und Spiele, an den Wänden hingen Poster des FC Chelsea. Vor einigen Wochen hatten er und Jack sich gestritten, was selten vorkam. Dabei wollte Jack gar nicht, dass er sein Zimmer aufräumte. In Wirklichkeit war es umgekehrt: Alex wollte, dass sie nicht mehr für ihn aufräumte. Zuletzt hatte sie eingelenkt. Dies war sein Reich und er wollte es so.
Er zog das T-Shirt aus und wankte in die Dusche. Mit geschlossenen Augen ließ er das heiße Wasser auf Schultern und Nacken prasseln. Diese fünf Minuten, in denen er niemandem gehörte – weder Jack noch der Brookland School –, waren für ihn der Höhepunkt des Morgens. In dieser kurzen Zeit bereitete er sich auf das vor, was der neue Tag bringen mochte.
Er war kein Spion mehr – und das
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