Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
den schwarzen Haaren und der Statur eines Boxers. Jedenfalls war Jack mit Feuereifer bei der Sache. Sie nahm zweimal in der Woche Privatunterricht und hörte jeden Abend ihre Übungs-CDs.
»Du machst dir doch keine Sorgen um mich? Der MI6 hat sich nicht mehr gemeldet.«
»Nein, ich weiß. Ich mache mir auch keine Sorgen.« Jack schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nichts. Es ist alles in Ordnung.«
Zehn Minuten später radelte Alex auf seinem neuen Raleigh Pioneer 160, das er sich anstelle seines alten Condor Junior Roadracer gekauft hatte, in Richtung Schule. Das neue Rad war nicht seine erste Wahl gewesen, aber er hatte vom Verkäufer einen Preisnachlass bekommen und für Stadtfahrten war es bestens geeignet. Es sprang nicht zu sehr ins Auge und wurde deshalb auch nicht so schnell geklaut. Und es war einigermaßen bequem, nachdem er den Sattel gegen einen ergonomisch geformten RIDO R2 ausgewechselt hatte. Als er sich noch einmal umdrehte, stand Jack in der Tür und winkte ihm nach. Auch das war ungewöhnlich. Sonst blieb sie in der Küche.
Aber es war ein herrlicher Sommertag und die Sonne schien. Alex vergaß Jack und trat kräftig in die Pedale. Gleich darauf war er um die Ecke der King’s Road gebogen und verschwunden.
J ack schloss die Haustür.
Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie wieder nicht mit Alex über den Brief gesprochen hatte, der vor einer Woche gekommen war. Es war so typisch für ihre Mutter, einen Brief zu schreiben, statt anzurufen oder eine E-Mail zu schicken. Ihre Eltern waren erst Mitte sechzig, also noch gar nicht so alt. Dafür hatten sie schon immer altmodische Einstellungen gehabt, als müssten sie unbedingt beweisen, dass früher alles besser war.
Jetzt war ihr Vater krank geworden. Er hatte Anfang des Jahres einen Schlaganfall gehabt und war seitdem pflegebedürftig. Jacks Mutter tat, was sie konnte. Jack hatte eine ältere Schwester, die aber mit drei kleinen Kindern in Florida lebte. Jack selbst war vor fast neun Jahren nach England gezogen. Jetzt fragte ihre Mutter vorsichtig an, ob sie nicht demnächst nach Hause zurückkehren wolle.
Jack wusste im Innersten, dass sie Recht hatte. Vielleicht war die Zeit wirklich reif dafür.
Nicht nur wegen ihres Vaters. Sie musste auch an ihre eigene Zukunft denken. Sie war jetzt fast dreißig und Single.
Ursprünglich war sie nach England gekommen, um Jura zu studieren. Sie hatte das Angebot akzeptiert, für ein kostenloses Zimmer in Chelsea einfache Hausarbeiten zu übernehmen und babyzusitten. Das Baby war natürlich Alex, obwohl er tatsächlich schon sieben Jahre alt war. Wenn Ian Rider verreist war, brachte sie Alex morgens zur Schule und widmete sich dann ihren Studien, bis es an der Zeit war, ihn wieder abzuholen.
Nach kurzer Zeit hatte sie festgestellt, dass Jura ein trockenes und langweiliges Fach und einfach nichts für sie war. Gleichzeitig liebte sie es, auf Alex aufzupassen – sie fühlte sich fast schon wie seine große Schwester. Außerdem tat er ihr leid. Sie wusste, dass seine Eltern beide bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, und Ian Rider konnte die Eltern nicht ersetzen, weil er so viel reiste.
Letzten Endes hatte sich eins ins andere gefügt: Sie schmiss das Studium und gleichzeitig bot Ian Rider ihr einen Vollzeitjob an. Ohne es je geplant zu haben, war sie Teil der Familie geworden.
Dann war er getötet worden und schlagartig war alles anders gewesen.
Hatte Jack schon vorher Verdacht geschöpft? Er hatte sich als internationaler Banker ausgegeben. Und sie hatte ihm geglaubt. Rückblickend wusste sie, dass sie naiv gewesen war. Kein Banker bewahrt drei verschiedene Pässe in seiner Schreibtischschublade auf. Jack hatte die Pässe zufällig entdeckt, als sie eine Schere gesucht hatte, und Ian darauf angesprochen. Es war das einzige Mal, dass er auf sie wütend gewesen war.
»Fragen Sie mich nie nach meiner Arbeit, Jack! Darüber werde ich niemals mit Ihnen reden. Auch nicht mit Alex …«
Seine Stimme klang ihr noch in den Ohren. Wie hatte sie so dumm sein können! Kein internationaler Banker blieb wochenlang von zu Hause fort – und es kehrte erst recht keiner von seinen Reisen mit so vielen unerklärlichen Verletzungen zurück. Ian war in Rom ausgeraubt worden, hatte in Genf einen Autounfall gehabt und sich beim Skifahren in Vancouver den Arm gebrochen. Er hatte darüber gescherzt und gemeint, er würde Unfälle magisch anziehen … bis die Wahrheit schließlich bei seinem letzten Unfall
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